E.M. Remarque
seinen Namen kennen ...«
Nein, dachte Ravic. Das ist nicht wahr. Er wird jetzt
nicht Durant sagen. Das Leben macht solche Witze nicht.
»Professor Durant«, sagte Leval mit Würde. »Er hat es mir
erklärt. Heildiener, ausgelernte Studenten, Masseure, Assistenten, das alles
gibt sich hier für große Ärzte aus Deutschland aus. Wer kann das kontrollieren?
Unerlaubte Eingriffe, Abtreibungen, Zusammenarbeit mit Hebammen, Pfuschereien,
weiß der Himmel, was da noch alles vor sich geht! Wir können gar nicht scharf
genug sein!«
Durant, dachte Ravic. Das ist die Rache für die
zweitausend Frank. Aber wer macht ihm jetzt seine Operationen? Binot,
wahrscheinlich. Haben sich doch wohl wieder vertragen.
Er merkte, daß er nicht mehr zugehört hatte. Erst als
Vebers Name fiel, wurde er wieder aufmerksam. »Ein Doktor Veber hat sich für
Sie verwendet. Kennen Sie ihn?«
»Flüchtig.«
»Er war hier.« Leval starrte einen Moment glotzäugig vor
sich hin. Dann nieste er mächtig, holte ein Taschentuch hervor, schneuzte sich
umständlich, besah, was er geschneuzt hatte, faltete das Taschentuch zusammen
und steckte es wieder ein. »Ich kann nichts für Sie tun. Wir müssen strikt
sein. Sie werden ausgewiesen.«
»Das weiß ich.«
»Waren Sie schon einmal in Frankreich?«
»Nein.«
»Sechs Monate Gefängnis, wenn Sie wiederkommen. Wissen
Sie das?«
»Ja.«
»Ich werde dafür sorgen, daß Sie so bald wie möglich
ausgewiesen werden. Das ist alles, was ich für Sie tun kann. Haben Sie Geld?«
»Ja.«
»Gut. Dann müssen Sie die Reise für den begleitenden
Polizisten und für sich bis zur Grenze bezahlen.« Er nickte. »Sie können
gehen.«
»Irgendeine bestimmte Zeit, wann wir zurück sein müssen?«
fragte Ravic den Beamten, der ihn zurückbrachte.
»Nicht genau. Je nachdem. Warum?«
»Ich möchte einen Aperitif trinken.«
Der Beamte sah ihn an. »Ich laufe nicht weg«, sagte
Ravic, holte einen Zwanzigfrankschein hervor und spielte damit.
»Schön. Ein paar Minuten können nichts ausmachen.«
Sie ließen das Taxi am nächsten Bistro halten. Ein paar
Tische standen bereits draußen. Es war kühl, aber die Sonne schien. »Was nehmen
Sie?« fragte Ravic.
»Amèr Picon. Nichts anderes um diese Zeit.«
»Mir einen großen Fine. Ohne Wasser.«
Ravic saß ruhig da und atmete tief. Luft – was das sein
konnte! Die Zweige an den Bäumen auf dem Trottoir hatten braun glänzende
Knospen. Es roch nach frischem Brot und jungem Wein. Der Kellner brachte die
Gläser. »Wo ist das Telefon?« fragte Ravic.
»Drinnen, rechts, neben der Toilette.«
»Aber …«, sagte der Beamte.
Ravic steckte ihm den Zwanzigfrankschein in die Hand.
»Sie können sich wohl denken, an wen ich telefoniere. Ich verschwinde nicht.
Sie können ja mitgehen. Kommen Sie.«
Der Beamte zögerte nicht lange. »Schön«, sagte er und
stand auf. »Mensch ist schließlich bloß Mensch.«
»Joan ...«
»Ravic! Mein Gott! Wo bist du? Haben Sie dich
herausgelassen? Sag mir, wo bist du ...«
»In einem Bistro ...«
»Laß das. Sag mir, wo du wirklich bist.«
»Ich bin in einem Bistro.«
»Wo? Bist du nicht mehr im Gefängnis? Wo bist du die
ganze Zeit gewesen? Dieser Morosow ...«
»Er hat dir genau das gesagt, was los war.«
»Er hat mir nicht einmal gesagt, wohin sie dich gebracht
haben. Ich hätte dich sofort...«
»Deshalb hat er es dir nicht gesagt, Joan. Besser so.«
»Weshalb telefonierst du von einem Bistro? Weshalb kommst
du nicht hierher?«
»Ich kann nicht kommen.
Ich habe nur wenige Minuten Zeit. Konnte den Beamten überreden, hier einen
Augenblick zu halten. Joan, ich werde in den nächsten Tagen zur Schweiz
gebracht und …« Ravic spähte durch das Glasfenster. Der Beamte lehnte an der
Theke und redete. »Und ich komme gleich wieder.« Er wartete. »Joan ...«
»Ich
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