Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:
die Ach­seln. »Was soll man ma­chen? Wir
lü­gen, so we­nig wir kön­nen. Wir müs­sen – aber wir tun es nicht aus Spaß.«
    Le­val schwoll auf. »Glau­ben Sie, es macht uns Spaß, daß
wir uns mit Ih­nen ab­ge­ben müs­sen?«
    Grau, dach­te Ra­vic. Der Kopf war weiß-grau, die
Trä­nen­sä­cke schmut­zig­blau, der Mund halb of­fen. Da­mals re­de­te er nicht; da­mals
war er ein Hau­fen quab­be­li­ges Fleisch mit ei­ner fau­len­den Gal­len­bla­se dar­in.
    »Wo woh­nen Sie? Die Adres­se war auch falsch.«
    »Ich ha­be ir­gend­wo
ge­wohnt. Ein­mal hier, ein­mal da.«
    »Wie lan­ge?«
    »Drei Wo­chen. Ich bin
vor drei Wo­chen aus der Schweiz ge­kom­men. Wur­de dort über die Gren­ze ge­scho­ben.
Sie wis­sen ja, daß wir il­le­gal, oh­ne Pa­pie­re, nir­gend­wo das Recht ha­ben zu
le­ben – und daß die meis­ten von uns sich noch nicht ent­schlie­ßen kön­nen,
Selbst­mord zu be­ge­hen. Das ist der Grund, wes­halb wir Ih­nen Sche­re­rei­en
ma­chen.«
    »Soll­ten in Deutsch­land ge­blie­ben sein«, knurr­te Le­val.
»Es ist al­les gar nicht so schlimm da. Wird viel über­trie­ben.«
    Ei­ne Spur an­ders ge­schnit­ten, dach­te Ra­vic, und du wä­rest
nicht hier, um die­sen Un­sinn zu re­den. Die Wür­mer hät­ten oh­ne Pa­pie­re dei­ne
Gren­zen über­schrit­ten – oder du wä­rest ei­ne Hand­voll Staub in ei­ner
ge­schmack­lo­sen Ur­ne.
    »Wo ha­ben Sie hier ge­wohnt?« frag­te Le­val.
    Das möch­test du gern wis­sen, dach­te Ra­vic, um an­de­re da
zu fan­gen. »In gu­ten Ho­tels«, sag­te er. »Un­ter ver­schie­de­nen Na­men. Im­mer für
ein paar Ta­ge.
    »Das ist nicht wahr.«
    »Wes­halb fra­gen Sie mich, wenn Sie es bes­ser wis­sen«,
sag­te Ra­vic, der lang­sam ge­nug hat­te.
    Le­val schlug mit der fla­chen Hand är­ger­lich auf den
Tisch. »Sei­en Sie nicht un­ver­schämt!« Er be­sah sich gleich dar­auf sei­ne Hand
ge­nau.
    »Sie ha­ben auf die Sche­re ge­schla­gen«, sag­te Ra­vic.
    Le­val steck­te die Hand in die Ta­sche. »Fin­den Sie nicht,
daß Sie ziem­lich frech sind?« frag­te er plötz­lich mit der Ru­he ei­nes Man­nes,
der es sich leis­ten kann, sich zu be­herr­schen, weil der an­de­re völ­lig auf ihn
an­ge­wie­sen ist.
    »Frech?« Ra­vic blick­te ihn er­staunt an. »Frech nen­nen Sie
das? Wir sind hier doch we­der in der Schu­le noch im Stift für reui­ge
Ver­bre­cher! Ich hand­le in Not­wehr – und Sie möch­ten, daß ich mich wie ein
Gau­ner füh­le, der um ein mil­des Ur­teil bit­tet? Nur, weil ich kein Na­zi bin und
des­halb kei­ne Pa­pie­re ha­be? Daß wir uns noch im­mer nicht für Ver­bre­cher hal­ten,
ob­schon wir Ge­fäng­nis­se, Po­li­zei, De­mü­ti­gun­gen je­der Art ken­nen, nur weil wir am
Le­ben blei­ben wol­len – das ist das ein­zi­ge, was uns noch auf­recht­er­hält,
ver­ste­hen Sie das nicht? Das ist weiß Gott et­was an­de­res als Frech­heit.«
    Le­val ant­wor­te­te nicht dar­auf. »Ha­ben Sie hier
prak­ti­ziert?« frag­te er.
    »Nein.«
    Die Nar­be muß jetzt klei­ner sein, dach­te Ra­vic. Ich ha­be
da­mals gut ge­näht. Es war ei­ne mäch­ti­ge Ar­beit mit all dem Fett. In­zwi­schen hat
er sich wie­der an­ge­fres­sen. An­ge­fres­sen und an­ge­sof­fen.
    »Das ist die größ­te Ge­fahr«, er­klär­te Le­val. »Oh­ne
Ex­amen, oh­ne Kon­trol­le trei­ben Sie sich hier her­um! Wer weiß, wie lan­ge schon!
Den­ken Sie nicht, daß ich Ih­nen die drei Wo­chen glau­be. Wer weiß, wo Sie schon
über­all Ih­re Fin­ger drin ge­habt ha­ben, in wie­viel dunklen Sa­chen.«
    In dei­nem Balg mit den har­ten Ar­te­ri­en, der di­cken Le­ber
und der gä­ren­den Gal­le, dach­te Ra­vic. Und wenn ich sie nicht drin ge­habt hät­te,
dann hät­te dein Freund Du­rant dich hu­man und idio­tisch ge­tö­tet und wä­re da­durch
wie­der be­rühm­ter als Ope­ra­teur ge­wor­den und hät­te sei­ne Prei­se er­höht.
    »Die größ­te Ge­fahr«, wie­der­hol­te Le­val. »Sie dür­fen nicht
prak­ti­zie­ren. Al­so neh­men Sie al­les, was Ih­nen in den Weg kommt, das ist doch
klar. Ich ha­be mit ei­ner un­se­rer Au­to­ri­tä­ten dar­über ge­spro­chen: er ist
voll­kom­men der­sel­ben Mei­nung.
    Wenn Sie et­was von ärzt­li­cher Wis­sen­schaft ver­ste­hen,
soll­ten Sie

Weitere Kostenlose Bücher