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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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ist nur in die Leu­te ge­fah­ren,
Ra­vic?«
    Ra­vic hob die Schul­tern. »Es gibt da ei­ne Ge­schich­te von
ei­nem sin­ken­den Oze­an­damp­fer.«
    »Aber bei uns sinkt doch nichts, Ra­vic! Das Ge­schäft ist
glän­zend.«
    Die Tür öff­ne­te sich. Ni­net­te, ein­und­zwan­zig Jah­re alt,
schmal wie ein Kna­be, in ih­ren kur­z­en ro­sa Sei­den­ho­sen, trat ein. Sie hat­te das
Ge­sicht ei­ner Hei­li­gen und war ei­ne der bes­ten Hu­ren des Eta­blis­se­ments. Im
Au­gen­blick trug sie ein Ta­blett mit Brot, But­ter und zwei Töp­fen Mar­me­la­de vor
sich her. »Ma­da­me hat ge­hört, daß der Dok­tor Kaf­fee trinkt«, er­klär­te sie mit
hei­se­rer Baß­stim­me. »Sie schickt hier Mar­me­la­de zum Pro­bie­ren. Selbst­ge­macht!«
Ni­net­te grins­te plötz­lich. Das En­gels­ge­sicht barst in ei­ne Ga­min­frat­ze. Sie
schubs­te das Ta­blett auf den Tisch und ent­schwand tän­zelnd.
    »Da siehst du es«, seufz­te Ro­lan­de. »So­fort frech!
Wis­sen, daß wir sie brau­chen.«
    »Rich­tig«, sag­te Ra­vic. »Wann sonst sol­len sie es sein?
Was be­deu­tet die­se Mar­me­la­de?«
    »Ma­da­mes Stolz. Sie macht sie selbst. Auf ih­rem Be­sitz an
der Ri­vie­ra. Ist wirk­lich gut. Willst du sie pro­bie­ren?«
    »Ich has­se Mar­me­la­de. Be­son­ders, wenn Mil­lio­nä­rin­nen sie
ge­kocht ha­ben.«
    Ro­lan­de schraub­te die Glas­de­ckel ab, nahm ein paar Löf­fel
voll Mar­me­la­de her­aus, strich sie in ein dickes Stück Pa­pier, tat ein Stück
But­ter und ein paar Schei­ben Toast da­zu, wi­ckel­te al­les fest ein und gab es
Ra­vic. »Wirf es nach­her weg«, sag­te sie. »Tue es ihr zu­lie­be. Sie kon­trol­liert
nach­her, ob du ge­ges­sen hast. Letz­ter Stolz ei­ner al­tern­den Frau oh­ne
Il­lu­sio­nen. Tu es aus Höf­lich­keit.«
    »Gut.« Ra­vic stand auf und öff­ne­te die Tür. »Ziem­li­cher
Ra­dau«, sag­te er. Er hör­te von un­ten Stim­men, Mu­sik, Ge­läch­ter und Ru­fen. »Sind
das al­les schon Fran­zo­sen?«
    »Das nicht. Das sind meis­tens Aus­län­der.«
    »Ame­ri­ka­ner?«
    »Nein, das ist das Merk­wür­di­ge. Es sind meis­tens
Deut­sche. Wir ha­ben noch nie so vie­le Deut­sche hier ge­habt.«
    »Das ist nicht merk­wür­dig.«
    »Die meis­ten spre­chen sehr gut Fran­zö­sisch. Gar nicht wie
Deut­sche vor ein paar Jah­ren.«
    »Das ha­be ich mir ge­dacht. Sind nicht auch vie­le Poi­lus
hier? Re­kru­ten und Ko­lo­ni­al­sol­da­ten?«
    »Die sind ja im­mer hier.«
    Ra­vic nick­te. »Und die Deut­schen ge­ben viel Geld aus,
wie?«
    Ro­lan­de lach­te. »Das tun sie. La­den je­den ein, der was
trin­ken will.«
    »Spe­zi­ell Sol­da­ten, den­ke ich. Da­bei hat Deutsch­land ei­ne
Sperr­mark, und die Gren­zen sind ge­schlos­sen. Man kann nur hin­aus mit Er­laub­nis
der Be­hör­den. Und man darf nicht mehr als zehn Mark mit­neh­men. Son­der­bar, die­se
lus­ti­gen Deut­schen mit dem vie­len Geld, die so gut Fran­zö­sisch spre­chen, wie?«
    Ro­lan­de zuck­te die Ach­seln. »Von mir aus – so­lan­ge ihr
Geld echt ist ...«
    Er kam nach acht Uhr nach Hau­se. »Hat je­mand für mich
an­ge­ru­fen?« frag­te er den Por­tier. »Nein.«
    »Auch nach­mit­tags nicht?«
    »Nein. Den gan­zen Tag nicht.«
    »War je­mand hier und hat nach mir ge­fragt?« Der Por­tier schüt­tel­te den Kopf.
»Kein Mensch.« Ra­vic ging die Trep­pen hin­auf. Im ers­ten Stock hör­te er das
Ehe­paar Gold­berg mit­ein­an­der strei­ten. Im zwei­ten Stock schrie ein Kind. Es war
der fran­zö­si­sche Staats­bür­ger Lu­ci­en Sil­ber­mann. Ein Jahr und zwei Mo­na­te alt.
Für sei­ne El­tern, den Kaf­fee­händ­ler Sieg­fried Sil­ber­mann und sei­ne Frau Nel­ly
ge­bo­re­ne Le­vy aus Frank­furt am Main, war er ein Hei­lig­tum und ein
Spe­ku­la­ti­ons­ob­jekt. Er war in Frank­reich ge­bo­ren, und sie hoff­ten, durch ihn
zwei Jah­re frü­her fran­zö­si­sche Päs­se zu be­kom­men. Lu­ci­en hat­te mit der In­tel­li­genz
der Ein­jäh­ri­gen sich dar­auf­hin zum Fa­mi­li­en­ty­rann ent­wi­ckelt. Im drit­ten Stock
du­del­te ein Gram­mo­phon. Es ge­hör­te dem Re­fu­gié Wohl­mei­er, frü­her
Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ora­ni­en­burg, und spiel­te deut­sche Volks­lie­der. Der Kor­ri­dor
roch nach Kohl und

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