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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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muß los. Tü­ren öff­nen im Kul­tur­zen­trum Mont­mar­tre.
Wo­zu lebt der Mensch ei­gent­lich?«
    »Um dar­über nach­zu­den­ken. Sonst viel­leicht noch
ir­gend­wel­che Fra­gen?«
    »Ja. Wo­zu, wenn er das ge­tan hat und et­was Ver­nünf­ti­ges
ge­wor­den ist, stirbt er dann ge­ra­de?«
    »Man­che Men­schen ster­ben auch, oh­ne ver­nünf­ti­ger ge­wor­den
zu sein.«
    »Wei­che mir nicht aus. Und komm mir nicht mit
See­len­wan­de­rung.«
    »Ich will dich vor­her et­was an­de­res fra­gen. Lö­wen tö­ten
An­ti­lo­pen; Spin­nen Flie­gen; Füch­se Hüh­ner – wel­ches ist die ein­zi­ge Ras­se der
Welt, die sich im­mer­fort selbst be­kriegt, be­kämpft und tö­tet?«
    »Das sind Fra­gen für Kin­der. Die Kro­ne der Schöp­fung
na­tür­lich, der Mensch, der die Wor­te Lie­be, Gü­te und Barm­her­zig­keit er­fun­den
hat.«
    »Gut. Wer ist das ein­zi­ge We­sen in der Na­tur, das
Selbst­mord be­ge­hen kann und be­geht?«
    »Der Mensch wie­der­um – der die Ewig­keit, Gott und die
Auf­er­ste­hung er­fun­den hat.«
    »Vor­treff­lich«, sag­te Ra­vic. »Du siehst, aus wie vie­len
Wi­der­sprü­chen wir be­ste­hen. Und du willst wis­sen, warum wir ster­ben?«
    Mo­ro­sow blick­te über­rascht auf. Dann nahm er einen großen
Schluck. »Du So­phist«, er­klär­te er. »Du Drücke­ber­ger.«
    Ra­vic sah ihn an. Jo­an, dach­te et­was in ihm. Wenn sie
jetzt her­ein­käme durch die schmut­zi­ge Glas­tür drü­ben. »Der Feh­ler war, Bo­ris«,
sag­te er, »daß wir zu den­ken an­fin­gen. Wä­ren wir bei der Se­lig­keit der Brunst
und des Fres­sens ge­blie­ben, wä­re al­les nicht pas­siert. Ir­gend je­mand
ex­pe­ri­men­tiert mit uns – aber er scheint die Lö­sung noch nicht ge­fun­den zu
ha­ben. Wir wol­len uns nicht be­kla­gen. Auch Ver­suchs­tie­re soll­ten
pro­fes­sio­nel­len Stolz ha­ben.«
    »Sa­gen die Schläch­ter. Nicht die Och­sen. Sa­gen die
Wis­sen­schaft­ler. Nie die Meer­schwein­chen. Sa­gen die Ärz­te. Nie die wei­ßen
Mäu­se.«
    »Rich­tig. – Es le­be das Ge­setz vom zu­rei­chen­den Grund.
Komm, Bo­ris, laß uns ein Glas trin­ken auf die Schön­heit – die hol­de Ewig­keit
der Se­kun­de. Weißt du, was der Mensch auch als ein­zi­ger kann? La­chen und
wei­nen.«
    »Und sich be­trin­ken. Mit Schnaps, Wein, Phi­lo­so­phie und
Wei­bern und Hoff­nung und Ver­zweif­lung. Weißt du, was er auch als ein­zi­ger weiß?
Daß er ster­ben muß. Als Ge­gen­gift be­kam er die Phan­ta­sie. Der Stein ist re­al.
Die Pflan­ze auch. Das Tier eben­falls. Sie sind zweck­mä­ßig. Sie wis­sen nicht,
daß sie ster­ben müs­sen. Der Mensch weiß es. He­be dich, See­le! Flie­ge! Schluch­ze
nicht, du le­ga­ler Mör­der! Ha­ben wir nicht so­eben das Ho­he­lied der Mensch­heit
ge­sun­gen?«
    Mo­ro­sow schüt­tel­te die graue Pal­me, daß der Staub flog.
»Bra­ves Sym­bol rüh­rend süd­li­cher Hoff­nung, Traum­pflan­ze ei­ner fran­zö­si­schen
Ho­tel­wir­tin, le­be wohl! Und du auch, Mann oh­ne Hei­mat, Schling­ge­wächs oh­ne
Er­de, Ta­schen­dieb des To­des, le­be wohl! Sei stolz, daß du ein Ro­man­ti­ker bist!«
    Er grins­te Ra­vic an.
    Ra­vic grins­te nicht zu­rück. Er sah zur Tür. Sie hat­te
sich ge­öff­net. Der Nacht­por­tier kam her­ein. Er kam auf den Tisch zu. Te­le­fon,
dach­te Ra­vic. End­lich! Doch!
    Er stand nicht auf.
    Er war­te­te. Er fühl­te, wie sei­ne Ar­me sich spann­ten.
    »Ih­re Zi­ga­ret­ten, Herr Mo­ro­sow«, sag­te der Por­tier. »Der
Jun­ge hat sie ge­ra­de ge­bracht.«
    »Dan­ke.« Mo­ro­sow steck­te die Schach­tel mit den rus­si­schen
Zi­ga­ret­ten ein. »Ser­vus, Ra­vic. Se­he ich dich spä­ter?«
    »Viel­leicht. Ser­vus, Bo­ris.«
    Der Mann oh­ne Ma­gen starr­te Ra­vic an. Ihm war
schlecht, aber er konn­te nicht er­bre­chen. Er hat­te nichts mehr, wo­mit er
er­bre­chen konn­te. Ihm war wie ei­nem Mann oh­ne Bei­ne, dem die Fü­ße schmerz­ten.
    Er war sehr un­ru­hig. Ra­vic gab ihm ei­ne Sprit­ze. Der Mann
hat­te nicht viel Chan­ce, am Le­ben zu blei­ben. Das Herz war nicht be­son­ders, und
ei­ne der Lun­gen war voll von ver­kap­sel­ten Ka­ver­nen. Für fünf­und­drei­ßig Jah­re
hat­te er nicht viel Ge­sund­heit in sei­nem Le­ben ge­habt.

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