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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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»Bur­gun­der, viel Bur­gun­der oder
Bier.«
    »Ich trin­ke nicht. Ich bin schon stun­den­lang durch die
Stra­ßen ge­gan­gen, bis ich dach­te, ich wä­re tod­mü­de. Es nützt nichts. Ich kann
nicht schla­fen.«
    »Ich wer­de Ih­nen ein paar Ta­blet­ten ge­ben«, sag­te Ra­vic.
»Kom­men Sie mit mir her­auf.«
    »Komm zu­rück, Ra­vic«, rief Mo­ro­sow ihm nach. »Laß mich
nicht hier al­lein, Bru­der!«
    Ein paar Frau­en blick­ten auf. Dann strick­ten oder la­sen
sie wei­ter, als hin­ge ihr Le­ben da­von ab. Ra­vic ging mit Fin­ken­stein zu sei­nem
Zim­mer. Als er die Tür öff­ne­te, kam ihm die Nacht­luft durch das Fens­ter
ent­ge­gen wie ei­ne dunkle, küh­le Wel­le. Er at­me­te tief, dreh­te das Licht an und
blick­te rasch durch den Raum. Nie­mand war da. Er gab Fin­ken­stein ei­ni­ge
Ta­blet­ten.
    »Dan­ke«, sag­te Fin­ken­stein, oh­ne sein Ge­sicht zu be­we­gen,
und ging wie ein Schat­ten hin­aus.
    Ra­vic wuß­te plötz­lich,
daß Jo­an nicht kom­men wür­de. Er wuß­te auch, daß er es schon mor­gens ge­tan hat­te.
Er hat­te es nur nicht wahr­ha­ben wol­len. Er blick­te sich um, als hät­te je­mand
hin­ter ihm et­was ge­sagt. Es war auf ein­mal al­les ganz klar und ein­fach. Sie
hat­te er­reicht mit ihm, was sie woll­te, und jetzt ließ sie sich Zeit. Was hat­te
er denn er­war­tet? Daß sie al­les hin­wer­fen wür­de sei­net­we­gen? Daß sie
zu­rück­kom­men wür­de wie frü­her? Welch ei­ne Narr­heit! Na­tür­lich war da ein
an­de­rer, und nicht nur ein an­de­rer, son­dern auch ein an­de­res Le­ben, das sie
nicht auf­ge­ben woll­te!
    Er ging wie­der hin­un­ter. Er fühl­te sich ziem­lich elend.
»Je­mand an­ge­ru­fen?« frag­te er.
    Der Nacht­con­cier­ge, der ge­ra­de ge­kom­men war, schüt­tel­te
den Kopf, den Mund voll Knob­lauch­wurst.
    »Ich war­te auf einen An­ruf. Bin einst­wei­len un­ten.«
    Er ging zu Mo­ro­sow zu­rück.
    Sie spiel­ten ei­ne Par­tie Schach. Mo­ro­sow ge­wann und
sah sich zu­frie­den um. Die Frau­en wa­ren in­zwi­schen laut­los ver­schwun­den. Er
läu­te­te mit der Mi­nis­tran­ten­glo­cke. »Cla­ris­se! Ei­ne Ka­raf­fe Rosé.«
    »Die­ser Fin­ken­stein spielt wie ei­ne Näh­ma­schi­ne«,
er­klär­te er. »Zum Spei­en! Ein Ma­the­ma­ti­ker. Ich has­se Per­fek­ti­on. Es ist nicht
mensch­lich.« Er sah Ra­vic an. »Wo­zu bist du hier an ei­nem sol­chen Abend?«
    »Ich war­te auf einen An­ruf.«
    »Bist du wie­der ein­mal da­bei, je­mand auf ei­ne
wis­sen­schaft­li­che Wei­se um­zu­brin­gen?«
    »Ich ha­be ges­tern je­mand den Ma­gen her­aus­ge­schnit­ten.«
    Mo­ro­sow schenk­te die Glä­ser voll. »Da sitzt du und
trinkst«, sag­te er. »Und drü­ben liegt dein Op­fer und de­li­riert. Auch dar­in ist
et­was Un­mensch­li­ches. Du soll­test zum we­nigs­ten Ma­gen­schmer­zen ha­ben.«
    »Rich­tig«, er­wi­der­te Ra­vic. »Dar­in liegt das Elend der
Welt, Bo­ris, wir spü­ren nie, was wir an­rich­ten. Aber warum willst du ge­ra­de bei
den Ärz­ten mit dei­ner Re­form be­gin­nen? Po­li­ti­ker und Ge­nerä­le wä­ren bes­ser
da­für. Wir wür­den dann Welt­frie­den ha­ben.«
    Mo­ro­sow lehn­te sich zu­rück und be­trach­te­te Ra­vic. »Ärz­te
soll man nie per­sön­lich ken­nen«, er­klär­te er. »Es nimmt et­was vom Ver­trau­en.
Ich bin mit dir be­trun­ken ge­we­sen – wie kann ich mich da von dir ope­rie­ren
las­sen? Ich könn­te wis­sen, daß du ein bes­se­rer Ope­ra­teur bist als ein an­de­rer,
den ich nicht ken­ne – ich wür­de trotz­dem den an­de­ren neh­men. Ver­trau­en zum
Un­be­kann­ten – ei­ne tie­fe, mensch­li­che Ei­gen­schaft, al­ter Kna­be! Ärz­te soll­ten
in Hos­pi­tä­lern woh­nen und nie ’raus­ge­las­sen wer­den ins Pro­fa­ne. Eu­re Vor­gän­ger,
die He­xen und Zau­ber­dok­to­ren, wuß­ten das. Wenn ich ope­riert wer­de, will ich an
Über­mensch­li­ches glau­ben.«
    »Ich wür­de dich auch nicht ope­rie­ren, Bo­ris.«
    »Warum nicht?«
    »Kein Arzt ope­riert gern sei­nen Bru­der.«
    »Ich wer­de dir den Ge­fal­len oh­ne­hin nicht tun. Ich st­er­be
an Herz­schlag im Schlaf. Ar­bei­te mun­ter dar­auf hin.«
    Mo­ro­sow starr­te Ra­vic an wie ein fröh­li­ches Kind. Dann
stand er auf.
    »Ich

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