Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:
der Ver­gan­gen­heit her­um­su­chen wol­len? Wo­für hältst du mich,
Jo­an?«
    Ih­re Trä­nen hat­ten auf­ge­hört. »Ich ha­be das lan­ge nicht
mehr ge­hört«, sag­te sie.
    »Dann warst du un­ter Holz­köp­fen. Frau­en soll man an­be­ten
oder ver­las­sen. Nichts da­zwi­schen.«
    Sie schlief, dicht an ihn ge­klam­mert, als woll­te sie ihn
nie mehr los­las­sen. Sie schlief tief, und er fühl­te ih­ren leich­ten,
re­gel­mä­ßi­gen Atem auf sei­ner Brust. Er lag noch ei­ne Zeit­lang wach. Die
Ge­räusche des Mor­gens be­gan­nen im Ho­tel. Was­ser­lei­tun­gen rausch­ten, Tü­ren
klapp­ten, und un­ten hus­te­te der Emi­grant Wie­sen­hoff sein Er­wa­chen aus dem
Fens­ter. Er fühl­te Jo­ans Schul­tern an sei­nem Arm, er fühl­te ih­re war­me,
schlum­mern­de Haut, und wenn er den Kopf wen­de­te, konn­te er ihr völ­lig ge­lös­tes,
hin­ge­ben­des Ge­sicht se­hen, das rein war wie die Un­schuld selbst. An­be­ten oder
ver­las­sen, dach­te er. Große Wor­te. Wer das könn­te! Aber wer woll­te es auch
schon?

20
    20    Er
er­wach­te. Jo­an lag nicht mehr ne­ben ihm. Er hör­te das Was­ser im Ba­de­zim­mer
rau­schen und rich­te­te sich auf. Er war so­fort ganz wach. Die letz­ten Mo­na­te
hat­ten ihn das wie­der ge­lehrt. Wer so­fort wach war, konn­te manch­mal noch
ent­kom­men. Er sah auf die Uhr. Es war zehn Uhr früh. Jo­ans Abend­kleid lag mit
ih­rem Man­tel auf dem Bo­den. Ih­re Bro­kat­schu­he stan­den vor dem Fens­ter. Ei­ner
war um­ge­fal­len.
    »Jo­an«, rief er. »Was machst du un­ter der Brau­se mit­ten
in der Nacht?«
    Sie öff­ne­te die Tür. »Ich woll­te dich nicht we­cken.«
    »Das
ist gleich­gül­tig. Ich kann im­mer schla­fen. Aber wo­zu bist du schon auf?«
    Sie hat­te ei­ne Ba­de­kap­pe über­ge­zo­gen und tropf­te vor
Was­ser. Ih­re Schul­tern schim­mer­ten hell­braun. Sie sah aus wie ei­ne Ama­zo­ne mit
ei­nem eng an­lie­gen­den Helm. »Ich bin kei­ne Nacht­eu­le mehr. Ra­vic. Ich bin nicht
mehr in der Sche­herazade.«
    »Das weiß ich.«
    »Von wem?«
    »Von Mo­ro­sow.«
    Sie sah ihn ei­ne Se­kun­de for­schend an. »Mo­ro­sow«, sag­te
sie. »Der al­te Schwät­zer. Was hat er dir sonst er­zählt?«
    »Nichts. Gibt es sonst noch et­was zu er­zäh­len?«
    »Nichts, was ein Nacht­por­tier er­zäh­len könn­te. Die sind
wie Gar­de­ro­be­frau­en. Ge­werbs­mä­ßi­ge Klatsch Ver­mitt­ler.«
    »Laß Mo­ro­sow in Frie­den. Nacht­por­tiers und Ärz­te sind
ge­werbs­mä­ßi­ge Pes­si­mis­ten. Sie le­ben von den Schat­ten­sei­ten des Le­bens. Aber
sie klat­schen nicht. Sie sind ver­pflich­tet zur Dis­kre­ti­on.«
    »Schat­ten­sei­te des Le­bens«, sag­te Jo­an. »Wer will das
schon?«
    »Kei­ner. Aber die
meis­ten le­ben dar­in. Mo­ro­sow hat dir üb­ri­gens da­mals die Stel­le in der
Sche­herazade be­sorgt.«
    »Da­für kann ich ihm nicht ewig un­ter Trä­nen dank­bar sein.
Ich war kei­ne Ent­täu­schung. Ich war mein Geld wert, sonst hät­ten sie mich nicht
be­hal­ten. Er hat es au­ßer­dem für dich ge­tan. Nicht für mich.«
    Ra­vic griff nach ei­ner Zi­ga­ret­te. »Was hast du ei­gent­lich
ge­gen ihn?«
    »Nichts. Ich mag ihn nicht. Er sieht einen im­mer so an.
Ich wür­de ihm nicht trau­en, Du soll­test es auch nicht.«
    »Was?«
    »Du soll­test ihm nicht trau­en. Du weißt, Por­tiers in
Frank­reich sind al­le Po­li­zei­spit­zel.«
    »Sonst noch was?« frag­te Ra­vic ru­hig.
    »Du glaubst mir na­tür­lich nicht. Je­der in der
Sche­herazade wuß­te es. Wer weiß, ob ...«
    »Jo­an!« Er warf die De­cke zu­rück und stand auf. »Re­de
kei­nen Un­sinn. Was ist los mit dir?«
    »Nichts. Was soll mit mir los sein? Ich kann ihn nicht
lei­den, das ist al­les. Er hat einen schlech­ten Ein­fluß. Und du steckst dau­ernd
mit ihm zu­sam­men.«
    »Ach so«, sag­te Ra­vic. »Des­halb.«
    Sie lä­chel­te plötz­lich. »Ja, des­halb.«
    Ra­vic spür­te, daß es nicht al­lein des­halb war. Da war
noch et­was an­de­res. »Was willst du zum Früh­stück ha­ben?« frag­te er.
    »Bist du är­ger­lich?« frag­te sie zu­rück.
    »Nein.«
    Sie kam aus dem Ba­de­zim­mer und leg­te die Ar­me um sei­nen
Nacken. Er fühl­te die Feuch­tig­keit ih­rer Haut durch den dün­nen Stoff sei­nes
Py­ja­mas. Er

Weitere Kostenlose Bücher