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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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was konn­ten sie schon
da­für? War er selbst nicht ei­ner da­von? Miß­trau­isch noch, sich fest­hal­tend an
ei­nem biß­chen müh­sa­mer Vor­sicht und et­was bil­li­gem Sar­kas­mus – und im Grun­de
schon wis­send, was un­ver­meid­lich ge­sche­hen wür­de?
    Jo­an hock­te am Fußen­de des Bet­tes. Sie sah aus wie ei­ne
är­ger­li­che, schö­ne Wasch­frau – und gleich­zei­tig wie et­was, das vom Mond
her­ge­flo­gen war und sich nicht zu­recht­fin­den konn­te. Die Däm­me­rung war in
Frührot über­ge­gan­gen und strahl­te sie an. Der jun­ge Tag hauch­te von weit her
sei­nen rei­nen Atem über die dre­cki­gen Hö­fe und die rau­chi­gen Dä­cher in das
Fens­ter, und es war im­mer noch Wald und Le­ben dar­in.
    »Jo­an«, sag­te Ra­vic. »Wes­halb bist du ge­kom­men?«
    »Wes­halb fragst du?«
    »Ja – wes­halb fra­ge ich?«
    »Wes­halb fragst du im­mer? Ich bin da. Ist das denn nicht
ge­nug?«
    »Ja, Jo­an, du hast recht. Es ist ge­nug.«
    Sie hob den Kopf. »End­lich! Aber erst muß du ei­nem die
gan­ze Freu­de neh­men.«
    Freu­de! Freu­de nann­te sie das! Ge­trie­ben sein von vie­len
schwar­zen Pro­pel­lern, in ei­ner Luft­schrau­be von atem­lo­sem Wie­der­ha­ben­wol­len –
Freu­de? Da drau­ßen, das war ein Au­gen­blick der Freu­de, der Tau vor den
Fens­tern, die zehn Mi­nu­ten Stil­le, be­vor der Tag sei­ne Klau­en aus­streck­te. Aber
zum Teu­fel, was soll­te das al­les? Hat­te sie nicht recht? Hat­te sie nicht recht
wie der Tau und die Sper­lin­ge und der Wind und das Blut? Wo­zu frag­te er? Was
woll­te er wis­sen? Sie war da, her­an­ge­flo­gen, be­den­ken­los, ein
Nacht­schmet­ter­ling, ein Li­gus­ter­schwär­mer, ein Pfau­en­au­ge, rasch – und nun lag
er da und zähl­te die Punk­te und die schma­len Ris­se an sei­nen Flü­geln und
starr­te auf den et­was ver­wisch­ten Schmelz. Sie war ge­kom­men, und ich bin nur so
al­bern über­le­gen, weil sie ge­kom­men ist, dach­te er. Wä­re sie nicht ge­kom­men,
dann wür­de ich hier lie­gen und grü­beln und ver­su­chen, mich he­ro­isch zu
be­schwin­deln und da­bei heim­lich nichts an­de­res wün­schen, als daß sie käme.
    Er warf die De­cken bei­sei­te, schwang die Fü­ße über den
Bett­rand und fuhr in sei­ne Slip­per. »Was willst du?« frag­te Jo­an über­rascht.
»Willst du mich hin­aus­wer­fen?«
    »Nein. Ich will dich küs­sen. Ich hät­te es längst tun
sol­len. Ich bin ein Idi­ot, Jo­an. Ich ha­be Un­sinn ge­re­det. Es ist wun­der­bar, daß
du da bist!«
    Ein Schein ging durch ih­re Au­gen. »Du brauchst nicht
auf­zu­ste­hen, um mich zu küs­sen«, sag­te sie.
    Das Mor­gen­rot stand hoch hin­ter den Häu­sern. Der
Him­mel dar­über war schwach und blau. Ein paar Wol­ken schwam­men dar­in wie
schla­fen­de Fla­min­gos. »Sieh dir das an, Jo­an! Welch ein Tag! Weißt du noch, wie
es reg­ne­te?«
    »Ja. Es reg­ne­te im­mer, Liebs­ter. Es war grau, und es
reg­ne­te.«
    »Es reg­ne­te noch, als ich ab­fuhr. Du ver­zwei­fel­test un­ter
all dem Re­gen. Und jetzt...«
    »Ja«, sag­te sie. »Und jetzt...«
    Sie lag dicht ne­ben ihm. »Jetzt ist al­les da«, sag­te er.
»So­gar ein Gar­ten. Die Nel­ken un­ten vor dem Fens­ter des Emi­gran­ten Wie­sen­hoff.
Und Vö­gel im Hof in der Kas­ta­nie.«
    Er sah, daß sie wein­te. »Warum fragst du mich nicht,
Ra­vic?« sag­te sie.
    »Ich frag­te dich schon zu­viel. Hast du das vor­hin nicht
selbst ge­sagt?«
    »Dies ist an­ders.«
    »Es ist nichts zu fra­gen.«
    »Was in­zwi­schen ge­we­sen ist.«
    »Es ist nichts ge­we­sen.«
    Sie schüt­tel­te den Kopf.
    »Wo­für hältst du mich, Jo­an?« sag­te er. »Sieh dir das da
drau­ßen an. Das Rot und Gold und Blau. Fragt das, ob es ges­tern ge­reg­net hat?
Ob Krieg in Chi­na oder Spa­ni­en war? Ob in die­sem Au­gen­blick tau­send Men­schen
ster­ben oder tau­send Men­schen ge­bo­ren wer­den? Es ist da, es steigt auf, das ist
al­les. Und du willst, daß ich fra­ge? Dei­ne Schul­tern sind Bron­ze un­ter die­sem
Licht, und ich soll dich fra­gen? Dei­ne Au­gen sind in die­sem ro­ten Wi­der­schein
wie das Meer der Grie­chen, vio­lett und wein­far­ben, und ich soll et­was wis­sen
wol­len, was vor­bei ist? Du bist da, und ich soll ein Narr sein und im
ab­ge­welk­ten Laub

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