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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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ei­fer­süch­tig?«
    Lu­ci­enne blick­te er­staunt auf. »Na­tür­lich nicht. Das
an­de­re ist doch Ge­schäft.«
    »Nur dann al­so, wenn es kein Geld kos­tet?«
    Lu­ci­enne zö­ger­te. Dann er­rö­te­te sie lang­sam. »Nicht
des­halb. Nur, wenn er denkt, daß noch et­was an­de­res da­bei ist.« Sie zö­ger­te
wie­der. »Daß ich et­was füh­le.«
    Sie blick­te nicht auf. Ra­vic nahm ih­re Hand, die ver­lo­ren
auf dem Tisch lag. »Lu­ci­enne«, sag­te er. »Es ist hübsch, daß du dich er­in­nert
hast. Und daß du mit mir ge­hen willst. Du bist rei­zend, und ich wür­de dich
mit­neh­men. Aber ich kann mit nie­mand schla­fen, den ich ein­mal ope­riert ha­be.
Ver­stehst du das?«
    Sie hob die lan­gen, dunklen Wim­pern und nick­te rasch.
»Ja.« Sie stand auf. »Dann will ich jetzt ge­hen.«
    »Adieu, Lu­ci­enne. Al­les Gu­te. Nimm dich in acht, daß du
nicht krank wirst.«
    »Ja.«
    Ra­vic schrieb et­was auf einen Zet­tel. »Be­sor­ge dir dies,
wenn du es noch nicht hast. Es ist das Bes­te. Und gib nicht al­les Geld an
Bo­bo.«
    Sie lä­chel­te und schüt­tel­te den Kopf. Sie wuß­te und er
wuß­te auch, daß sie es trotz­dem tun wür­de. Ra­vic blick­te ihr nach, bis sie in
der Men­ge ver­schwand. Dann wink­te er dem Kell­ner.
    Die Frau mit dem blau­en Hut kam vor­bei. Sie hat­te die
Sze­ne be­ob­ach­tet. Sie fä­chel­te sich mit ih­rer zu­sam­men­ge­fal­te­ten Zei­tung und
zeig­te einen Mund voll falscher Zäh­ne. »Ent­we­der du bist im­po­tent oder schwul,
mein Sü­ßer«, sag­te sie freund­lich im Vor­bei­ge­hen. »Viel Glück und herz­li­chen
Dank.«
    Ra­vic ging durch die war­me Nacht. Die Blit­ze weh­ten
über die Dä­cher. Die Luft war still. Am Lou­vre fand er den Ein­gang er­leuch­tet.
Die Tü­ren stan­den of­fen. Er ging hin­ein.
    Es war ei­ne der Nachtaus­stel­lun­gen. Ein Teil der Sä­le war
er­leuch­tet. Er ging durch die ägyp­ti­sche Aus­stel­lung, die aus­sah wie ein
rie­si­ges, er­hell­tes Grab. Ver­stei­nert hock­ten und stan­den die Kö­ni­ge von vor
drei­tau­send Jah­ren und starr­ten die Grup­pen von um­her­wan­dern­den Stu­den­ten,
Frau­en in vor­jäh­ri­gen Hü­ten und äl­te­ren ge­lang­weil­ten Män­nern reg­los aus
gra­ni­te­nen Au­gen an. Es roch nach Staub, to­ter Luft und Un­s­terb­lich­keit.
    In der grie­chi­schen Ab­tei­lung flüs­ter­ten vor der Ve­nus
von Mi­lo ei­ni­ge Mäd­chen, die ihr in nichts gli­chen. Ra­vic blieb ste­hen. Nach
dem Gra­nit und dem grü­nen Sye­nit der Ägyp­ter war der Mar­mor de­ka­dent und weich.
Die sanft fül­li­ge Ve­nus hat­te et­was von ei­ner zu­frie­de­nen, ba­den­den Haus­frau;
schön und oh­ne Ge­dan­ken. Apol­lo, der Ei­dech­sen­tö­ter, war ein Ho­mo­se­xu­el­ler, der
mehr tur­nen soll­te. Aber sie stan­den in Sä­len, das tö­te­te sie. Es tö­te­te die Ägyp­ter
nicht; sie wa­ren für Grä­ber und Tem­pel ge­macht. Die Grie­chen brauch­ten Son­ne,
Luft und Säu­len, durch die das gol­de­ne Licht Athens schi­en.
    Ra­vic ging wei­ter. Die große Hal­le mit den Trep­pen kam
ihm kühl ent­ge­gen. Und plötz­lich, hoch über al­lem, schweb­te die Ni­ke von
Sa­moth­ra­ke.
    Es war lan­ge her, daß er sie ge­se­hen hat­te. Das letz­te­mal
war es an ei­nem grau­en Tag ge­we­sen, der Mar­mor war un­an­sehn­lich er­schie­nen, und
im schmut­zi­gen Win­ter­licht des Mu­se­ums hat­te die Prin­zes­sin des Sie­ges ge­zö­gert
und ge­fro­ren. Jetzt aber stand sie hoch über den Trep­pen, auf dem Vor­bau des
Mar­mor­schiff­bruch­stücks, an­ge­leuch­tet von Schein­wer­fern, strah­lend, die Flü­gel
weit aus­ge­brei­tet, die Klei­der vom Wind eng an den schrei­ten­den Kör­per ge­preßt,
hell und be­reit, ab­zu­flie­gen. Hin­ter ihr schi­en das wein­far­be­ne Meer von
Sa­la­mis zu rau­schen, und der Him­mel war dun­kel vor dem Samt der Er­war­tung.
    Sie wuß­te nichts von Mo­ral. Sie wuß­te nichts von
Pro­ble­men. Sie kann­te nicht die Stür­me und die schwar­zen Hin­ter­grün­de des
Blu­tes. Sie kann­te den Sieg und die Nie­der­la­ge, und bei­des war fast gleich. Sie
war nicht Ver­füh­rung; sie war Flie­gen. Sie war nicht Lo­ckung; sie war
Un­be­küm­mert­heit. Sie hat­te kein Ge­heim­nis – und doch war sie

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