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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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war in der Lie­be ge­fan­gen
– nicht in dem ein­zel­nen Men­schen, der zu­fäl­lig ih­ren Na­men trug. Wer konn­te
noch ur­tei­len, ge­blen­det von den Feu­ern der Phan­ta­sie? Lie­be kann­te kei­nen
Wert.
    Der Him­mel war
nied­ri­ger ge­wor­den. Die laut­lo­sen Blit­ze ris­sen für Au­gen­bli­cke schwef­li­ges
Ge­wölk aus der Nacht. Die Schwü­le lag mit tau­send blin­den Au­gen ge­stalt­los auf
den Dä­chern, Ra­vic ging die Rue Ri­vo­li ent­lang. Un­ter den Bo­gen­gän­gen
leuch­te­ten die Schau­fens­ter. Ein Strom von Men­schen schob sich dar­an ent­lang.
Die Au­to­mo­bi­le wa­ren ei­ne Ket­te von blin­ken­den Re­fle­xen. Da ge­he ich, dach­te
er, ei­ner un­ter Tau­sen­den, lang­sam an die­sen Aus­la­gen von fun­keln­dem Schund und
köst­li­chen Din­gen ent­lang, die Hän­de in den Ta­schen, ein Spa­zier­gän­ger am Abend
– und in mir bebt mein Blut, und in den grau­en und wei­ßen, pul­sen­den Win­dun­gen
von zwei Hand­voll mol­lus­ken­haf­ter Mas­se, Ge­hirn ge­nannt, tob­te ei­ne un­sicht­ba­re
Schlacht, die die Wirk­lich­keit un­wirk­lich und die Un­wirk­lich­keit wirk­lich
er­schei­nen läßt. Ich füh­le Ar­me mich an­sto­ßen, Kör­per mich strei­fen, Au­gen mich
mus­tern, ich hö­re die Au­tos, die Stim­men, das Bro­deln hand­fes­ter Wirk­lich­keit,
ich bin mit­ten­drin und doch wei­ter ent­fernt da­von wie der Mond – auf ei­nem
Pla­ne­ten, jen­seits der Lo­gik und der Tat­sa­chen, schreit et­was in mir einen
Na­men und weiß, es ist nicht der Na­me, und schreit trotz­dem, es schreit ihn in
ein Schwei­gen, das im­mer war und in dem vie­le Schreie schon ver­hall­ten und aus
dem nie ei­ne Ant­wort war, und es weiß ihn und schreit ihn trotz­dem, den Schrei der
Lie­bes­nacht und der To­des­nacht, den Schrei der Ek­sta­se und des
zu­sam­men­stür­zen­den Be­wußt­seins, des Dschun­gels und der Wüs­te, und ich kann
tau­send Ant­wor­ten wis­sen, die­se ei­ne ist au­ßer mir, und ich kann sie nie
er­rei­chen.
    Lie­be! Wie­viel die­ser Na­me de­cken muß­te! Von der
sanf­tes­ten Zärt­lich­keit der Haut bis zum ferns­ten Auf­ruhr des Geis­tes, vom
ein­fachs­ten Fa­mi­li­en­wunsch bis zur To­deser­schüt­te­rung, von der be­sin­nungs­lo­sen
Brunst bis zum Kampf Ja­kobs mit dem En­gel. Da ge­he ich, sag­te Ra­vic, ein Mann
von mehr als vier­zig Jah­ren, ge­schult in vie­len Schu­len, zu­sam­men­ge­schla­gen und
wie­der auf­ge­stan­den, mit Er­fah­rung und Wis­sen, ge­siebt durch den Fil­ter der
Jah­re, här­ter ge­wor­den, kri­ti­scher ge­wor­den, käl­ter ge­wor­den – ich woll­te es
nicht und ich glaub­te es nicht, ich dach­te nicht, daß es noch ein­mal kom­men
wür­de – und da ist es nun, und al­le Er­fah­rung nützt nichts, al­les Wis­sen macht
es nur noch bren­nen­der –, und was brennt bes­ser auf den Feu­ern des Ge­fühls als
tro­ckener Zy­nis­mus und das auf­ge­spei­cher­te Holz kri­ti­scher Jah­re?
    Er ging und ging, und die Nacht war weit und hall­te; er
ging acht­los wei­ter und wuß­te nicht, ob es Stun­den wa­ren oder Mi­nu­ten, und er
war nur we­nig ver­wun­dert, als er sich wie­der­fand in den Gär­ten hin­ter der
Ave­nue Ra­pha­el.
    Das Haus an der Rue Pas­cal. Die Eta­gen, bleich hin­auf –
hoch die Stu­di­os, ei­ni­ge er­leuch­tet. Er fand die Fens­ter von Jo­ans Stu­dio. Sie
wa­ren hell. Sie war zu Hau­se. Aber viel­leicht war sie auch nicht zu Hau­se und
nur die Lich­ter brann­ten. Sie haß­te es, in dunkle Räu­me zu kom­men. Ge­nau wie
er. Ra­vic ging zur Stra­ße hin­über. Ein paar Wa­gen stan­den vor dem Haus. Ein
gel­ber Road­s­ter dar­un­ter, ei­ne nor­ma­le Ma­schi­ne, wie ein Renn­wa­gen auf­ge­macht.
Das konn­te der Wa­gen des an­dern sein. Ein Wa­gen für einen Schau­spie­ler. Ro­te
Le­der­sit­ze, ein Ar­ma­tu­ren­brett wie für ein Flug­zeug, mit ei­ner Fül­le un­nö­ti­ger
In­stru­men­te – na­tür­lich, das muß­te er sein. Bin ich ei­fer­süch­tig? dach­te er
er­staunt. Ei­fer­süch­tig auf das zu­fäl­li­ge Ob­jekt, an dem sie sich fest­ge­hakt
hat? Ei­fer­süch­tig auf et­was, das mich nichts an­geht? Man kann ei­fer­süch­tig sein
auf ei­ne Lie­be, die sich ab­ge­wen­det hat – aber

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