E.M. Remarque
wurde gespannt. »Es ist keine Frau«, sagte er. »Und zum Teufel, wenn es
eine wäre, was ginge es dich an? Mach dich nicht lächerlich mit deiner
Eifersucht, während du dich mit deinem Schauspieler herumtreibst.«
Joan antwortete nicht. Sie drehte sich nach der Richtung
seiner Augen um und versuchte zu erkennen, nach wem er sah. »Laß das«, sagte
er.
»Ist sie mit einem andern Mann?«
Ravic setzte sich plötzlich. Haake hatte vorher gehört,
daß er auf der Terrasse sitzen wolle. Wenn er ihn erkannt hätte, würde er
mißtrauisch sein und nachsehen, wo er geblieben war. Es war dann natürlicher
und harmloser, mit einer Frau draußen zu sitzen.
»Gut«, sagte er. »Bleib hier. Was du denkst, ist Unsinn.
Ich werde irgendwann aufstehen und weggehen. Du wirst mit mir gehen bis zu
einem Taxi und nicht mitkommen. Willst du das tun?«
»Weshalb bist du so geheimnisvoll?«
»Ich bin nicht geheimnisvoll. Da ist ein Mann, den ich
lange nicht gesehen habe. Ich will wissen, wo er wohnt. Das ist alles.«
»Es ist keine Frau?«
»Nein. Es ist ein Mann, und ich kann dir nichts weiter
darüber sagen.«
Der Kellner stand neben dem Tisch. »Was willst du
trinken?« fragte Ravic.
»Calvados.«
»Einen Calvados.« Der Kellner schlurfte davon.
»Trinkst du keinen?«
»Nein, ich trinke das hier.«
Joan betrachtete ihn. »Du weißt nicht, wie ich dich
manchmal hasse.«
»Das kommt vor.« Ravic streifte Haakes Tisch. Glas,
dachte er. Zitterndes, fließendes, schimmerndes Glas. Die Straße, die Tische,
die Leute – getaucht alles in ein Gelee von schwankendem Glas.
»Du bist kalt, egoistisch ...«
»Joan, wir werden das ein anderes Mal besprechen.«
Sie schwieg, während der Kellner das Glas vor sie setzte.
Ravic zahlte sofort.
»Du hast mich in all das hineingebracht…«, sagte sie dann
herausfordernd.
»Ich weiß …« Er sah einen Augenblick Haakes Hand über dem
Tisch, weiß, fleischig, nach Zucker greifend.
»Du! Niemand als du! Du hast mich nie geliebt und mit mir
herumgespielt, und du hast gesehen, daß ich dich geliebt habe, und du hast dir
nichts daraus gemacht.«
»Das ist wahr.«
»Was?«
»Es ist wahr«, sagte Ravic, ohne sie anzusehen. »Später
war es anders.«
»Ja später! Später! Da war alles durcheinander. Da war es
zu spät. Du bist schuld.«
»Ich weiß.«
»Sprich nicht so mit mir!« Ihr Gesicht war weiß und
zornig. »Du hörst nicht einmal zu.«
»Doch!« Er sah sie an. Reden, irgend etwas reden, ganz
gleich, was.
»Hast du Krach gehabt mit deinem Schauspieler?«
»Ja.«
»Das wird vorbeigehen.«
Blauer Rauch aus der Ecke. Der Kellner schenkte wieder
Kaffee ein. Haake schien sich Zeit zu lassen. »Ich hätte nein sagen können«,
sagte Joan. »Ich könnte sagen, ich wäre zufällig vorbeigekommen. Ich bin es
nicht. Ich habe dich gesucht. Ich will weg von ihm.«
»Das will man immer. Das gehört dazu.«
»Ich habe Angst vor ihm. Er droht mir. Er will mich
erschießen.«
»Was?« Ravic sah plötzlich auf. »Was war das?«
»Er sagt, er will mich erschießen.«
»Wer?« Er hatte nur halb zugehört. Dann verstand er. »Ach
so! Du glaubst das doch nicht?«
»Er ist furchtbar jähzornig.«
»Unsinn! Wer so etwas sagt, tut es nicht. Ein
Schauspieler schon gar nicht.«
Was rede ich da? dachte er. Was ist das alles? Was will
ich hier? Irgendeine Stimme, irgendein Gesicht über dem Rauschen in den Ohren.
Was geht das mich an? »Wozu erzählst du mir das alles?« fragte er.
»Ich will weg von ihm. Ich will zurück zu dir.«
Wenn er ein Taxi nimmt, wird es mindestens ein paar
Sekunden dauern, bis ich eines anhalte, dachte Ravic. Bis es anfährt, kann es
dann zu spät sein. Er stand auf. »Warte hier. Ich bin sofort zurück.«
»Was willst du ...«
Er antwortete nicht. Rasch kreuzte er den Bürgersteig und
hielt ein Taxi an. »Hier sind zehn Frank. Können Sie ein paar Minuten auf mich
warten? Ich habe drinnen noch zu
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