E.M. Remarque
tun.«
Der Chauffeur sah den Geldschein an. Dann Ravic. Ravic
zwinkerte. Der Chauffeur zwinkerte zurück. Er bewegte den Schein langsam hin
und her. »Das ist extra«, sagte Ravic. »Sie verstehen schon, weshalb ...«
»Verstehe.« Der Chauffeur grinste. »Gut, ich werde hier
warten.«
»Parken Sie so, daß Sie gleich herausfahren können.«
»Schön, Chef.«
Ravic drängte sich eilig durch das Menschengewühl zurück.
Seine Kehle verengte sich jäh. Er sah Haake unter der Tür stehen. Er hörte
nicht, was Joan sagte. »Warte!« sagte er. »Warte! Gleich! Eine Sekunde!«
»Nein!«
Sie stand auf.
»Du wirst es bereuen!« Sie schluchzte fast.
Er zwang sich zu einem Lächeln. Er hielt ihre Hand fest.
Haake stand noch immer da. »Setz dich«, sagte Ravic. »Eine Sekunde!«
»Nein!«
Ihre Hand zerrte unter
seinem Griff. Er ließ sie los. Er wollte kein Aufsehen. Sie ging rasch davon,
zwischen den Tischen durch, dicht an der Tür vorbei. Haake sah ihr nach. Dann
blickte er langsam zurück, zu Ravic hinüber, dann wieder in die Richtung, in
die Joan gegangen war. Ravic setzte sich. Das Blut donnerte plötzlich in seinen
Schläfen. Er zog seine Brieftasche und tat, als suche er etwas. Er bemerkte,
daß Haake zwischen den Tischen entlangschlenderte. Gleichgültig blickte er in
die entgegengesetzte Richtung. Haake mußte dort seinen Blick kreuzen.
Er wartete. Es schien endlos lange zu dauern. Plötzlich
packte ihn eine rasende Angst. Wie, wenn Haake umgekehrt war? Er wendete rasch
den Kopf. Haake war nicht mehr da. Alles drehte sich einen Moment. »Erlauben
Sie?« fragte jemand neben ihm.
Ravic hörte es nicht. Er sah zur Tür. Haake war nicht ins
Restaurant zurückgegangen. Aufspringen, dachte er. Nachlaufen, versuchen, ihn
noch zu erwischen. Hinter ihm war die Stimme wieder. Er drehte sich um und
starrte. Haake war hinter seinem Rücken herumgekommen und stand jetzt neben
ihm. Er deutete auf den Stuhl, auf dem Joan gesessen hatte. »Erlauben Sie? Es
ist sonst kein Tisch mehr frei.«
Ravic nickte. Er war unfähig, etwas zu sagen. Sein Blut
strömte zurück. Strömte, strömte, als flösse es unter den Stuhl und ließ den
Körper zurück wie einen leeren Sack. Er preßte den Rücken fest gegen die Lehne.
Da stand noch das Glas. Die milchige Flüssigkeit. Er hob es und trank. Es war
schwer. Er blickte auf das Glas. Es war ruhig in seiner Hand. Das Zittern war
in seinen Adern.
Haake bestellte einen
Fine Champagne. Einen alten Fine Champagne. Er sprach französisch mit schwerem
deutschem Akzent. Ravic winkte einem Zeitungsjungen. »Paris Soir.«
Der Zeitungsjunge blickte nach dem Eingang. Er wußte,
dort stand die alte Zeitungsfrau. Er reichte Ravic die Zeitung, gefaltet, wie
zufällig, griff nach der Münze und verschwand rasch.
Er muß mich erkannt haben, dachte Ravic. Weshalb ist er
sonst gekommen? Er hatte nicht damit gerechnet. Jetzt konnte er nur bleiben und
sehen, was Haake wollte, und danach handeln.
Er griff nach der Zeitung, las die Überschriften und
legte sie wieder auf den Tisch. Haake sah ihn an. »Schöner Abend«, sagte er auf
deutsch.
Ravic nickte.
Haake lächelte. »Gutes Auge, wie?«
»Scheinbar.«
»Ich sah Sie bereits drinnen.«
Ravic nickte aufmerksam und gleichgültig. Er war aufs
äußerste gespannt. Er konnte sich nicht denken, was Haake vorhatte. Daß Ravic
illegal in Frankreich war, konnte er nicht wissen. Aber vielleicht wußte die
Gestapo auch das. Doch dafür war noch Zeit.
»Habe Sie gleich erkannt«, sagte Haake.
Ravic sah ihn an. »Der Schmiß«, sagte Haake und deutete auf
Ravics Stirn. »Korpsstudent. Sie mußten also Deutscher sein. Oder in
Deutschland studiert haben.«
Er lachte. Ravic sah ihn noch immer an. Das war
unmöglich! Es war zu lächerlich! Er atmete tief auf in plötzlicher
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