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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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tröst­lich, als ber­ge es tau­send Hei­maten. Die Sei­ne. Die
Bou­le­vards, mit Om­ni­bus­sen, Lärm, Men­schen und Lä­den. Die ei­ser­nen Git­ter des
Lu­xem­bourg, der Park da­hin­ter wie ein Ril­ke­ge­dicht. Der Ci­me­tiè­re Mont­par­nas­se,
schwei­gend, ver­las­sen. Die schma­len, al­ten Stra­ßen, eng zu­sam­men­ge­scho­ben,
Häu­ser, stil­le Plät­ze, über­ra­schend sich öff­nend, mit Bäu­men, wind­schie­fen
Fassa­den, Kir­chen, ver­wit­ter­ten Denk­mä­lern, La­ter­nen, im Re­gen flat­ternd,
Pis­soirs, wie klei­ne Forts aus der Er­de ra­gend, die Gas­sen der Stun­den­ho­tels
und da­zwi­schen die Stra­ßen der Ver­gan­gen­heit, im rei­nen Ro­ko­ko und Ba­rock ih­rer
Häu­ser­fron­ten her­nie­der­lä­chelnd, ver­däm­mer­te To­re wie aus Ro­ma­nen von Proust. …
    Ka­te Hegström saß in ih­rer Ecke und schwieg. Ra­vic
rauch­te. Er sah das Licht der Zi­ga­ret­te, aber er spür­te den Rauch nicht. Es
war, als rau­che er im Dun­kel des Wa­gens ei­ne stofflo­se Zi­ga­ret­te, und lang­sam
er­schi­en ihm, als wä­re al­les un­re­al – die­se Fahrt, die­ser laut­lo­se Wa­gen im
Re­gen, die Stra­ßen, die vor­über­g­lit­ten, die stil­le Frau in der Ecke in ih­rem
Ko­stüm, über daß die Re­fle­xe der Lich­ter husch­ten, die Hän­de, die der Tod schon
ge­zeich­net hat­te und die be­we­gungs­los auf dem Bro­kat la­gen, als wür­den sie sich
nie mehr re­gen – es war ei­ne geis­ter­haf­te Fahrt durch ein geis­ter­haf­tes Pa­ris,
son­der­bar durch­weht von ei­nem un­aus­ge­dach­ten Wis­sen und ei­nem un­aus­ge­spro­che­nen
Ab­schied oh­ne Grund.
    Er dach­te an Haa­ke. Er ver­such­te zu über­le­gen, was er tun
wol­le. Er konn­te es nicht; es zer­rann in Re­gen. Er dach­te an die Frau mit dem
rot­gol­de­nen Haar, die er ope­riert hat­te. Er dach­te an einen reg­ne­ri­schen Abend
in Ro­then­burg ob der Tau­ber mit ei­ner Frau, die er ver­ges­sen hat­te; an das
Ho­tel Ei­sen­hut und ei­ne Gei­ge aus ei­nem un­be­kann­ten Fens­ter. Rom­berg fiel ihm
ein, der 1917 im Ge­wit­ter auf ei­nem fland­ri­schen Mohn­feld ge­fal­len war, ei­nem
Ge­wit­ter, das ge­spens­tisch in das Trom­mel­feu­er ge­dröhnt hat­te, als sei Gott der
Men­schen mü­de ge­wor­den und hät­te be­gon­nen, die Er­de zu be­schie­ßen. Er dach­te an
ei­ne Zieh­har­mo­ni­ka, jam­mernd und schlecht und voll un­er­träg­li­cher Sehn­sucht in
Hout­houlst ge­spielt von ei­nem Sol­da­ten des Ma­ri­ne-Ba­tail­lons – Rom im Re­gen
glitt durch sei­ne Ge­dan­ken, ei­ne nas­se Land­stra­ße in Rou­en – der ewi­ge
No­vem­ber­re­gen auf den Dä­chern der Ba­ra­cken im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger; to­te
spa­ni­sche Bau­ern, in de­ren of­fe­nen Mün­dern das Was­ser sich ge­sam­melt hat­te –
das feuch­te, hel­le Ge­sicht Clai­res, der Weg mit schwer rie­chen­dem Flie­der zur
Uni­ver­si­tät in Hei­del­berg – ei­ne La­ter­na ma­gi­ca des Ge­we­se­nen – die end­lo­se
Pro­zes­si­on ver­gan­ge­ner Bil­der, vor­über­glei­tend wie die Stra­ßen drau­ßen, Gift
und Trost …
    Er drück­te sei­ne Zi­ga­ret­te aus und rich­te­te sich auf.
Ge­nug. Wer viel zu­rück­schau­te, konn­te leicht ge­gen ir­gend et­was ren­nen oder
ab­stür­zen.
    Der Wa­gen klomm jetzt die Gas­sen des Mont­mar­tre hin­auf.
Es hör­te auf zu reg­nen. Wol­ken stri­chen über den Him­mel, ver­sil­bert, schwer und
ei­lig, träch­ti­ge Müt­ter, die rasch et­was Mond ge­bä­ren woll­ten. Ka­te Hegström
ließ den Wa­gen hal­ten. Sie stie­gen aus und gin­gen ein paar Gas­sen hin­auf, um
ei­ne Ecke.
    Un­ten lag plötz­lich Pa­ris. Weit­ge­streckt, flim­mernd, naß,
Pa­ris. Mit Stra­ßen, Plät­zen, Nacht, Wol­ken und Mond, Pa­ris. Der Kranz der
Bou­le­vards, der blei­che Schim­mer der Ab­hän­ge, Tür­me, Dä­cher, Dun­kel­heit ge­gen
Licht ge­wor­fen. Pa­ris. Wind von den Ho­ri­zon­ten, Fun­keln der Ebe­ne, Brücken aus
Schwarz und Hel­le, Schau­er­re­gen fern über der Sei­ne ver­flie­gend, die zahl­lo­sen
Lich­ter der Wa­gen, Pa­ris. Ab­ge­trotzt der Nacht, gi­gan­ti­scher Bie­nen­korb
sum­men­den Le­bens, auf­ge­baut über Mil­lio­nen von Dreck­kanä­len, Licht­blü­te

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