E.M. Remarque
selbst
gemacht hätte. Meinen Sie nicht.«
»Ungefähr so.«
»Das wollte ich nur wissen. Sie sind doch ein gebildeter
Mensch und verstehen etwas davon. Nicht mal Rahmen sind dran.«
Die drei Bilder hingen ohne Rahmen. Sie leuchteten auf
den schmutzigen Tapeten wie Fenster in eine andere Welt. »Wenn wenigstens noch
gute Goldrahmen drum wären! Dann könnte man die abnehmen. Aber so! Ich sehe
schon, daß ich diesen Dreck behalten muß und wieder einmal ’reingefallen bin.
Das hat man von seiner Güte!«
»Ich glaube nicht, daß Sie die Bilder zu nehmen
brauchen«, sagte Ravic.
»Was sonst?«
»Rosenfeld wird das Geld für Sie schon bekommen.«
»Wieso?« Sie sah ihn rasch an. Ihr Gesicht veränderte
sich. »Sind die Sachen das wert? Manchmal sind ja gerade solche Dinge was
wert!« Man sah die Gedanken hinter ihrer gelben Stirn springen. »Ich könnte ja
ohne weiteres eins beschlagnahmen, schon für den letzten Monat! Welches meinen
Sie? Das große über dem Bett?«
»Gar keins. Warten Sie, bis Rosenfeld zurückkommt. Ich
bin sicher, daß er mit Geld zurückkommt.«
»Ich nicht. Ich bin Hotelbesitzerin.«
»Warum haben Sie denn so lange gewartet? Das tun Sie doch
sonst nicht?«
»Reden! Was der mir alles vorgeredet hat! Sie wissen
doch, wie das hier ist.«
Rosenfeld stand plötzlich in der Tür. Schweigend, klein
und ruhig. Bevor die Wirtin etwas sagen konnte, zog er Geld aus der Tasche.
»Hier – und hier ist meine Rechnung. Wollen Sie mir das bitte quittieren?«
Die Wirtin sah erstaunt auf die Banknoten. Dann sah sie
auf die Bilder. Dann zurück auf das Geld. Sie wollte eine Menge sagen – aber es
kam nicht heraus. »Sie kriegen noch was zurück«, erklärte sie schließlich.
»Das weiß ich. Können Sie es mir jetzt geben?«
»Ja, gut. Ich habe es nicht hier. Die Kasse ist unten.
Ich werde es wechseln.«
Sie ging, als sei sie schwer beleidigt worden. Rosenfeld
blickte auf Ravic.
»Entschuldigen Sie«, sagte Ravic. »Die Alte hat mich
hierher geschleppt. Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte. Sie wollte hören,
was die Bilder wert seien.«
»Haben Sie es ihr gesagt?«
»Nein.«
»Gut.« Rosenfeld sah Ravic mit einem sonderbaren Lächeln
an.
»Wie können Sie solche Bilder hier hängen haben?« fragte
Ravic. »Sind sie versichert?«
»Nein. Aber Bilder werden nicht gestohlen. Höchstens
einmal alle zwanzig Jahre aus einem Museum.«
»Die Bude hier kann abbrennen.«
Rosenfeld zuckte die Achseln. »Ein Risiko muß man nehmen.
Versichern ist zu teuer für mich.«
Ravic betrachtete den Van Gogh. Er war mindestens eine
Million Frank wert. Rosenfeld folgte seinem Blick.
»Ich weiß, was Sie denken. Wer das hat, sollte auch Geld
haben, es zu versichern. Aber ich habe es nicht. Ich lebe von meinen Bildern.
Ich verkaufe sie langsam, und ich verkaufe sie nicht gern.«
Unter dem Cezanne stand ein Spirituskocher auf dem Tisch.
Eine Büchse mit Kaffee, ein Brot, ein Topf Butter und ein paar Tüten daneben.
Das Zimmer war ärmlich und klein. Aber von den Wänden leuchtete die
Herrlichkeit der Welt.
»Das verstehe ich«, sagte Ravic.
»Ich dachte, ich würde es schaffen«, sagte Rosenfeld.
»Ich habe alles bezahlen können. Die Eisenbahn, die Überfahrt, alles, nur nicht
diese drei Monate Miete. Ich habe kaum gegessen, aber ich konnte es nicht
schaffen. Das Visum dauerte zu lange. Ich mußte heute abend einen Monet
verkaufen. Eine Vétheuil-Landschaft. – Dachte, ich könnte sie noch mitnehmen.«
»Hätten Sie sie anderswo nicht auch verkaufen müssen?«
»Ja. Aber in Dollars.
Sie hätten das Doppelte gebracht.«
»Gehen Sie nach Amerika?«
Rosenfeld nickte. »Es ist Zeit, hier wegzugehen.«
Ravic sah ihn an. »Der Totenvogel geht«, sagte Rosenfeld.
»Was für ein Totenvogel?«
»Ach so – Markus Meyer. Wir
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