E.M. Remarque
Reflexe auf Allongeperücken und
nackte, gepuderte Schultern, um die das zärtliche Geglitzer der Geigen wehte; Paare
und Gruppen wandelten gemessen auf und ab, Degengriffe funkelten, ein
Springbrunnen rauschte, und die verschnittenen Buchsbaumbosketts bildeten
dunkel einen stilvollen Hintergrund.
Ravic sah, daß selbst die Diener in Kostümen waren. Er
nahm an, daß die Detektive es dann auch waren. Es wäre nicht schlecht, dachte
er, von Molière oder Racine verhaftet zu werden. Oder zur Abwechslung von einem
Hofzwerg.
Er blickte auf. Ein schwerer, warmer Tropfen war auf
seine Hand gefallen. Der rötliche Himmel war verfinstert. »Es gibt Regen,
Kate«, sagte er.
»Nein. Das ist unmöglich. Der Garten ...«
»Doch. Kommen Sie rasch!«
Er nahm ihren Arm und brachte sie zur Terrasse. Sie waren
kaum da, als es schon zu gießen begann. Das Wasser stürzte nur so herunter, die
Kerzen in den Windlichtern verlöschten, die Tafeldekorationen hingen nach
wenigen Sekunden als farblose Lappen herunter, und eine Panik brach aus.
Marquisen, Herzoginnen und Hofdamen stürzten mit gerafften Brokatröcken der
Terrasse zu; Grafen, Exzellenzen und Feldmarschälle versuchten die Perücken zu
schützen und drängten wie aufgescheuchte bunte Hühner durcheinander.
Das Wasser stürzte in die Allongen, Kragen und
Dekolletées, es wusch Puder und Rouge herunter, ein fahler Blitz riß den Garten
in stoffloses Licht, und schwer prasselte der Donner hinterher.
Kate Hegström stand regungslos unter der Markise auf der
Terrasse, eng an Ravic gedrängt. »Das ist noch nie passiert«, sagte sie
fassungslos. »Ich war oft hier. Das war noch nie. In keinem Jahr.«
»Eine glänzende Gelegenheit für die Smaragde.«
»Ja. Mein Gott...«
Diener in Regenmänteln und Schirmen rannten durch den
Garten. Ihre seidenen Eskarpins stachen sonderbar unter den Mänteln heraus. Sie
geleiteten die letzten, verlorenen, nassen Hofdamen zur Terrasse und suchten
dann nach verlorenen Umhängen und Sachen. Einer brachte ein Paar goldene
Schuhe. Sie waren zierlich, und er hielt sie vorsichtig in seinen großen
Händen. Das Wasser stürzte auf die leeren Tische. Es donnerte auf die gespannte
Markise, als trommle der Himmel mit kristallenen Schlegeln zu einer unbekannten
Reveille.
»Wir wollen hineingehen«, sagte Kate Hegström.
Die Räume des Hauses waren viel zu klein für die
Anzahl der Gäste. Niemand hatte scheinbar mit schlechtem Wetter gerechnet. Die
Schwüle des Tages lag noch schwer in den Zimmern. Das Gedränge erhitzte sie
noch mehr. Die weiten Kostüme der Frauen wurden zerdrückt. Seide riß unter den
Füßen, die darauf traten. Man konnte sich kaum rühren.
Ravic stand mit Kate Hegström neben der Tür. Vor ihm
atmete eine gräfliche Marquise Montespan mit nassem, strähnigem Haar. Ein
Halsband aus birnenförmigen Diamanten lag um ihren Nacken, der zu weite Poren
hatte. Sie sah jetzt aus wie eine verregnete Gemüsehändlerin auf einem
Karneval. Neben ihr hustete ein kahlköpfiger Mann ohne Kinn. Ravic erkannte
ihn. Es war Blancher vom Auswärtigen Amt im Kostüm Colberts. Zwei schöne,
schmale Hofdamen mit Profilen wie Windhunde standen vor ihm; ein jüdischer
Baron, dick, laut, mit juwelenbesetztem Hut, betatschte genießerisch ihre
Schultern. Ein paar Südamerikaner, als Pagen verkleidet, betrachteten ihn
aufmerksam und erstaunt. Zwischen ihnen stand die Gräfin Bellin als La
Vallière, mit dem Gesicht eines gefallenen Engels und vielen Rubinen; Ravic
erinnerte sich, ihr vor einem Jahr die Eierstöcke operiert zu haben – auf eine
Diagnose Durants hin. Dies hier überhaupt war Durants Gebiet. Ein paar
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