Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
Vom Netzwerk:
Schrit­te
weg er­kann­te er die jun­ge, sehr rei­che Ba­ro­nes­se Rem­plart. Sie hat­te einen
Eng­län­der ge­hei­ra­tet und kei­ne Ge­bär­mut­ter mehr. Ra­vic hat­te sie
her­aus­ge­schnit­ten. Fehl­dia­gno­se Du­rants. Fünf­zig­tau­send Frank Ho­no­rar. Die
Se­kre­tä­rin Du­rants hat­te ihm das ver­ra­ten. Ra­vic hat­te zwei­hun­dert Frank
be­kom­men – die Frau, zehn Jah­re ih­res Le­bens und die Mög­lich­keit, Kin­der zu
be­kom­men, ver­lo­ren.
    Der Ge­ruch des Re­gens, die to­te, hei­ße Schwü­le, die sich
mit dem Ge­ruch des Par­füms, der Haut und der feuch­ten Haa­re ver­misch­ten. Die
Ge­sich­ter, ab­ge­wa­schen vom Re­gen, wa­ren nack­ter un­ter den Pe­rücken als je
vor­her oh­ne Ko­stüm. Ra­vic blick­te um­her; er sah viel Schön­heit um sich her­um;
er sah auch Geist und skep­ti­sche Klug­heit – aber sein Au­ge war eben­so trai­niert
auf die leich­ten Zei­chen von Krank­heit, und er wur­de nicht leicht ge­täuscht
durch ei­ne per­fek­te Ober­flä­che. Er wuß­te, daß ei­ne be­stimm­te Ge­sell­schaft in
al­len Jahr­hun­der­ten, großen und klei­nen, die­sel­be war – aber er wuß­te auch, was
Fie­ber und Zer­fall wa­ren, und er kann­te ih­re Sym­pto­me. Laue Pro­mis­kui­tät, die
To­le­ranz der Schwä­che; der Sport oh­ne Stär­ke; Geist oh­ne Dis­kre­ti­on; Witz des Wit­zes
we­gen; Blut, das mü­de war, zer­fun­kelt in Iro­nie, in klei­nen Aben­teu­ern, in
scha­ler Gier, in ge­schlif­fe­nem Fa­ta­lis­mus, in mat­ter Zweck­lo­sig­keit. Von hier
wür­de die Welt nicht ge­ret­tet wer­den, dach­te er. Aber von wo?
    Er blick­te zu Ka­te Hegström hin­über. »Sie be­kom­men nichts
zu trin­ken«, sag­te sie. »Die Die­ner kom­men nicht durch.«
    »Das macht nichts.«
    Sie wur­den lang­sam in das nächs­te Zim­mer ge­drängt. Ti­sche
mit Cham­pa­gner stan­den an der Wand, sie wur­den her­ein­ge­holt und rasch
auf­ge­baut.
    Ir­gend­wo brann­ten ein paar Leuch­ter. Durch ihr wei­ches
Licht zuck­ten die Blit­ze von drau­ßen und ris­sen für Au­gen­bli­cke die Ge­sich­ter
in einen fah­len, ge­spens­ti­schen Se­kun­den­tod. Dann roll­te der Don­ner und
über­tön­te die Stim­men und herrsch­te und droh­te – bis das wei­che Licht wie­der­kam
und mit ihm das Le­ben und die Schwü­le.
    Ra­vic zeig­te zu den Cham­pa­gner­ti­schen hin­über. »Soll ich
Ih­nen da­von et­was ho­len?«
    »Nein. Es ist zu heiß.« Ka­te Hegström sah ihn an. »Das
ist nun mein Fest.«
    »Viel­leicht hört es bald auf zu reg­nen.«
    »Nein. Und wenn auch – es ist ver­dor­ben. Wis­sen Sie, was
ich möch­te? Fort...«
    »Gut. Ich auch. Dies hier ist wie kurz vor der
Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on. Man er­war­tet je­den Mo­ment die Sans­cu­lot­tes.«
    Es dau­er­te lan­ge, bis sie den Aus­gang er­reich­ten. Ka­te
Hegströms Ko­stüm sah hin­ter­her aus, als hät­te sie ei­ni­ge Stun­den dar­in
ge­schla­fen. Der Re­gen fiel drau­ßen schwer und ge­ra­de her­nie­der. Die Häu­ser
ge­gen­über wirk­ten, als lä­gen sie hin­ter der was­ser­über­flos­se­nen Schei­be ei­nes
Blu­men­ge­schäf­tes.
    Der Wa­gen summ­te her­an. »Wo­hin wol­len Sie?« frag­te Ra­vic.
»Ins Ho­tel zu­rück?«
    »Noch nicht. Aber wir kön­nen sonst nir­gend­wo­hin in die­sen
Ko­stü­men ge­hen. Las­sen Sie uns noch et­was her­um­fah­ren.«
    »Gut.«
    Der Wa­gen glitt lang­sam durch das abend­li­che Pa­ris. Der
Re­gen klopf­te auf das Dach und über­tön­te fast al­le an­de­ren Ge­räusche. Der Arc
de Triom­phe hob sich grau aus dem sil­ber­nen Flie­ßen und ver­schwand. Die
Champs-Elysées mit ih­ren er­leuch­te­ten Fens­tern glit­ten vor­über. Das Rond Point
duf­te­te nach Blu­men und Fri­sche, ei­ne bun­te Wo­ge in all dem Rauch. Weit, wie
ein Meer, mit sei­nen Tri­to­nen und Mee­run­ge­heu­ern, däm­mer­te der Place de la
Con­cor­de. Die Rue de Ri­vo­li schwamm her­an mit ih­ren hel­len Bo­gen­gän­gen, ein
flüch­ti­ger Glanz von Ve­ne­dig, be­vor der Lou­vre grau und ewig sich er­hob mit dem
end­lo­sen Hof, fun­kelnd in al­len Fens­tern. Die Kais dann, die Brücken,
schwin­gend, un­wirk­lich in dem sach­ten Strö­men. Last­käh­ne, ein Schlep­per mit
ei­nem war­men Licht,

Weitere Kostenlose Bücher