E.M. Remarque
wiederholen uns, das ist
alles.«
Sie lächelte und setzte sich in ein Sofa, das neben dem
künstlichen Kamin stand. »Es ist gut, daß ich zurück bin«, sagte sie. »Wien ist
eine Kaserne geworden. Trostlos. Die Deutschen haben es zertrampelt. Und mit
ihnen die Österreicher. Die Österreicher auch, Ravic. Ich dachte, es sei ein
Widerspruch der Natur; ein österreichischer Nazi. Aber ich habe sie gesehen.«
»Das ist nicht überraschend. Macht ist die ansteckendste
Krankheit, die es gibt.«
»Ja, und die am meisten deformierende. Deshalb bin ich
geschieden worden. Der scharmante Nichtstuer, den ich vor zwei Jahren
geheiratet hatte, wurde plötzlich ein brüllender Sturmführer, der den alten
Professor Bernstein Straßen waschen ließ und dabeistand und lachte. Bernstein,
der ihn ein Jahr vorher von einer Nierenentzündung geheilt hatte. Angeblich,
weil das Honorar zu hoch gewesen war.« Kate Hegström verzog die Lippen. »Das
Honorar, das ich bezahlt hatte, nicht er.«
»Seien Sie froh, daß Sie ihn los sind.«
»Er verlangte zweihundertfünfzigtausend Schilling für die
Scheidung.«
»Billig«, sagte Ravic. »Alles, was man mit Geld abmachen
kann, ist billig.«
»Er hat nichts bekommen.« Kate Hegström hob das schmale
Gesicht, das fehlerfrei wie eine Gemme geschnitten war. »Ich habe ihm gesagt,
was ich über ihn, seine Partei und seinen Führer denke – und daß ich das von
nun an öffentlich tun würde. Er drohte mir mit Gestapo und Konzentrationslager.
Ich habe ihn ausgelacht. Ich sei immer noch Amerikanerin und unter dem Schutz
der Gesandtschaft. Mir würde nichts geschehen, aber ihm, weil er mit mir
verheiratet sei.«
Sie lachte. »Daran hatte er nicht gedacht. Er machte von
da an keine Schwierigkeiten mehr.«
Gesandtschaft, Schutz, Protektion, dachte Ravic. Das war
wie von einem anderen Planeten. »Mich wundert, daß Bernstein noch praktizieren
darf«, sagte er.
»Er darf nicht mehr. Er hat mich heimlich untersucht, als
ich die erste Blutung hatte. Gottlob, daß ich kein Kind bekommen darf. Ein Kind
von einem Nazi ...«
Sie schüttelte sich.
Ravic stand auf. »Ich muß jetzt gehen. Veber wird Sie
nachmittags noch einmal untersuchen. Nur der Form wegen.«
»Ich weiß. Trotzdem – ich habe Angst diesmal.«
»Aber Kate – es ist doch nicht das erstemal. Einfacher
als der Blinddarm, den ich Ihnen vor zwei Jahren herausgenommen habe.« Ravic
nahm sie leicht um die Schultern. »Sie waren meine erste Operation, als ich
nach Paris kam. Das ist etwas wie eine erste Liebe. Ich werde schon aufpassen.
Außerdem sind Sie mein Maskottchen. Sie haben mir Glück gebracht. Das sollen
Sie auch weiter.«
»Ja«, sagte sie und sah ihn an.
»Gut. Adieu, Kate. Ich hole Sie abends um acht Uhr ab.«
»Adieu, Ravic. Ich gehe jetzt, mir ein Abendkleid bei
Mainbocher kaufen. Ich muß diese Müdigkeit loswerden. Und das Gefühl, in einem
Spinngewebe zu sitzen. Dieses Wien«, sagte sie mit einem bitteren Lächeln, »die
Stadt der Träume ...«
Ravic fuhr mit dem Aufzug herunter und ging an der Bar
vorbei durch die Halle. Ein paar Amerikaner saßen herum. In der Mitte stand auf
einem Tisch ein riesiger Strauß roter Gladiolen. Sie hatten in dem grauen,
zerstreuten Licht die Farbe von altem Blut, und erst als er nahe herankam, sah
er, daß sie ganz frisch waren. Es war nur das Licht von draußen, das sie so
machte.
Im zweiten Stock des »International« war großer
Betrieb. Eine Anzahl Zimmer stand offen, das Mädchen und der Valet rannten hin
und her und die Proprietaire dirigierte alles vom Korridor her. Ravic kam die
Treppe herauf. »Was ist los?« fragte er.
Die Proprietaire war eine kräftige Frau mit mächtigem
Busen und einem zu kleinen Kopf mit kurzen, schwarzen Locken. »Die Spanier sind
doch fort«,
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