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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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sich um. »Eu­ge­nie, nicht al­le Re­fu­giés
sind Ju­den. Noch nicht ein­mal al­le Ju­den sind Ju­den. Und man­che sind es, von
de­nen man es nicht glaubt. Ich kann­te so­gar mal einen jü­di­schen Ne­ger. War ein
furcht­bar ein­sa­mer Mensch. Das ein­zi­ge, was er lieb­te, war chi­ne­si­sches Es­sen.
So geht es in der Welt zu.«
    Die Schwes­ter ant­wor­te­te nicht. Sie putz­te ei­ne
Ni­ckel­plat­te, die völ­lig blank war.
    Ra­vic saß in dem Bistro an der Rue La Bois­sie­re und
starr­te durch die ver­reg­ne­ten Schei­ben, als er den Mann drau­ßen sah. Es war wie
ein Schlag in den Ma­gen. Im ers­ten Au­gen­blick fühl­te er nur den Schock, oh­ne zu
rea­li­sie­ren, was es war – aber gleich dar­auf stieß er den Tisch bei­sei­te,
sprang von sei­nem Stuhl auf und dräng­te sich rück­sichts­los durch den vol­len
Raum der Tür zu.
    Je­mand hielt ihn am Arm fest. Er dreh­te sich um. »Was?«
frag­te er ver­ständ­nis­los. »Was?«
    Es war der Kell­ner. »Sie ha­ben nicht be­zahlt, mein Herr.«
    »Was? – Ach so … ich kom­me zu­rück …« Er zerr­te sei­nen Arm
los.
    Der Kell­ner wur­de rot. »Das gibt es hier nicht! Sie ...«
    »Hier ...«
    Ra­vic riß einen Schein aus der Ta­sche, warf ihn dem
Kell­ner zu und riß die Tür auf. Er dräng­te sich an ei­ner Grup­pe von Leu­ten
vor­bei und stürz­te nach rechts, um die Ecke, die Rue La Bois­sie­re ent­lang.
    Je­mand schimpf­te hin­ter ihm her. Er be­sann sich, hör­te
auf zu lau­fen und ging wei­ter, so schnell er konn­te, oh­ne auf­zu­fal­len. Es ist
un­mög­lich, dach­te er, es ist völ­lig un­mög­lich, ich bin ver­rückt, es ist
un­mög­lich! Das Ge­sicht, die­ses Ge­sicht, es muß ei­ne Ähn­lich­keit sein, ir­gend­ei­ne
hunds­ge­mei­ne, ver­fluch­te Ähn­lich­keit, ein blö­der Trick, den mei­ne Ner­ven mir
spie­len – es kann nicht in Pa­ris sein, die­ses Ge­sicht, es ist in Deutsch­land,
es ist in Ber­lin, die Schei­be war ver­reg­net, man konn­te nicht deut­lich se­hen,
ich muß mich ge­irrt ha­ben, be­stimmt…
    Er ging wei­ter, ei­lig, er schob sich durch die Men­ge, die
aus ei­nem Ki­no ström­te, er mus­ter­te je­des Ge­sicht, das er über­hol­te, ge­nau, er
starr­te un­ter Hü­te, er be­geg­ne­te är­ger­li­chen und er­staun­ten Bli­cken, wei­ter,
wei­ter, an­de­re Ge­sich­ter, an­de­re Hü­te, graue, schwar­ze, blaue, er über­hol­te
sie, er wand­te sich um, er starr­te sie an …
    An der Kreu­zung der Ave­nue Klé­ber blieb er ste­hen. Ei­ne
Frau, ei­ne Frau mit ei­nem Pu­del, er­in­ner­te er sich plötz­lich. Gleich hin­ter­her
war der an­de­re ge­kom­men.
    Die Frau mit dem Pu­del hat­te er schon längst über­holt.
Rasch ging er zu­rück. Als er die Frau mit dem Hund von wei­tem sah, blieb er an
der Bord­kan­te ste­hen. Er ball­te die Fäus­te in den Ta­schen und mus­ter­te je­den
Vor­über­ge­hen­den ge­nau. Der Pu­del blieb an ei­nem La­ter­nen­pfahl ste­hen,
schnup­per­te und hob un­end­lich lang­sam ein Hin­ter­bein. Dann kratz­te er
um­ständ­lich das Pflas­ter und lief wei­ter. Ra­vic spür­te plötz­lich, daß sein
Nacken naß war von Schweiß. Er war­te­te noch ei­ni­ge Mi­nu­ten – das Ge­sicht kam
nicht. Er mus­ter­te die ge­park­ten Au­tos. Nie­mand saß dar­in. Er kehr­te wie­der um
und ging bis zur Un­ter­grund­bahn an der Ave­nue Kle­ber. Er lief den Ein­gang
hin­un­ter, lös­te ein Bil­lett und ging den Bahn­steig ent­lang. Es wa­ren ziem­lich
viel Leu­te da. Be­vor er durch war, lief ein Zug ein, hielt und ver­schwand in
dem Tun­nel. Der Bahn­steig war leer.
    Lang­sam ging er zu­rück in das Bistro. Er setz­te sich an
den Tisch, an dem er vor­her ge­ses­sen hat­te. Da stand noch ein Glas, halb­voll
mit Cal­va­dos. Es schi­en son­der­bar, daß es im­mer noch da stand …
    Der Kell­ner schlurf­te her­an. »Ent­schul­di­gen Sie, mein
Herr. Ich wuß­te nicht ...«
    »Gut, gut«, sag­te Ra­vic. »Brin­gen Sie mir ein an­de­res
Glas Cal­va­dos.«
    »Ein an­de­res?« Der Kell­ner blick­te auf das halb­vol­le Glas
auf dem Tisch. »Wol­len Sie die­ses nicht erst trin­ken?«
    »Nein. Brin­gen Sie mir ein an­de­res.«
    Der Kell­ner nahm das Glas und roch dar­an. »Ist er nicht
gut?«
    »Doch. Ich will nur ein an­de­res

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