E.M. Remarque
Ausstellung
vorzubereiten. »Was hängen Sie jetzt da hinein?« fragte Ravic interessiert.
»Hirsche und Landschaften und Vesuvausbrüche und so was.«
»Nur, wenn’s nicht reicht. Sonst gebe ich die alten
Bilder zurück.«
»Welche alten?«
»Die von früher. Die die Herren hiergelassen haben, als
sie die Regierung übernahmen. Hier sind sie.«
Sie zeigte auf die linke Wand des Korridors. Der
Hausknecht hatte dort inzwischen die neuen Bilder aufgestellt, in einer Reihe,
gegenüber denen, die aus den Zimmern geholt worden waren. Es waren zwei Marx,
drei Lenin, von denen eines zur Hälfte mit Papier überklebt war, ein Trotzki
und ein paar kleinere gerahmte schwarze Drucke von Negrin und andern
republikanischen Führern Spaniens. Sie waren unscheinbar, und keines war so
leuchtend in Farben mit Orden und Emblemen wie die pompöse Reihe der Alfonsos,
Primos und Francos gegenüber auf der rechten Seite. Die beiden Reihen
Weltanschauung starrten sich schweigend in dem schwach erleuchteten Korridor
an, und dazwischen stand die französische Wirtin mit Takt, Erfahrung und der
ironischen Weisheit ihrer Rasse.
»Ich habe die Sachen damals aufbewahrt«, sagte sie, »als
die Herren auszogen. Regierungen dauern heutzutage nicht lange. Sie sehen, daß
ich recht hatte – jetzt kommen sie uns zugute. Im Hotelfach muß man einen weiten
Blick haben.«
Sie ordnete an, wo die Bilder aufgehängt werden sollten.
Den Trotzki schickte sie zurück; er war ihr zu unsicher. Ravic inspizierte den
Druck von Lenin, dessen Hälfte überklebt war. Er kratzte etwas von dem Papier
in der Höhe von Lenins Kopf ab – hinter dem aufgeklebten Stück kam ein anderer
Kopf Trotzkis hervor, der zu Lenin herüberlächelte. Ein Anhänger Stalins hatte
ihn wahrscheinlich überklebt. »Hier«, sagte Ravic. »Noch ein versteckter
Trotzki. Aus der guten alten Zeit der Freundschaft und Brüderschaft.«
Die Wirtin nahm das Bild. »Das können wir wegwerfen. Das
ist ganz wertlos. Eine Hälfte davon beleidigt dauernd die andere.« Sie gab es
dem Hausknecht. »Hebe den Rahmen auf, Adolphe. Er ist gute Eiche.«
»Was machen Sie mit den übrigen?« fragte Ravic. »Den
Alfonsos und den Francos?«
»Die kommen in den Keller. Man weiß nie, ob man sie nicht
noch einmal gebrauchen kann.«
»Ihr Keller muß fabelhaft sein. Ein temporäres Mausoleum.
Haben Sie da noch mehr?«
»Oh, natürlich! Wir haben russische – ein paar einfachere
Lenin – in Papprahmen zur Aushilfe und dann die vom letzten Zaren. Von Russen,
die hier gestorben sind. Ein wunderbares Original in Öl und schwerem Goldrahmen
von einem Herrn, der Selbstmord begangen hat. Dann sind da die Italiener. Zwei
Garibaldis, drei Könige und ein etwas beschädigter Mussolini auf
Zeitungspapier, aus der Zeit, als er noch Sozialist war in Zürich. Das Ding hat
allerdings nur Seltenheitswert. Keiner will es hängen haben.«
»Haben Sie auch Deutsche?«
»Noch ein paar Marx; das sind die häufigsten; einen
Lassalle; einen Bebel – dann ein Gruppenbild von Ebert, Scheidemann, Noske und
vielen anderen. Noske ist darauf mit Tinte zugeschmiert. Die Herren sagten mir,
daß er ein Nazi geworden sei.«
»Das stimmt. Sie können es zu dem sozialistischen
Mussolini hängen. Von der andern Seite in Deutschland haben Sie keine, wie?«
»O doch! Wir haben einen Hindenburg, einen Kaiser
Wilheim, einen Bismarck – und«, die Wirtin lächelte, »sogar einen Hitler im
Regenmantel. Wir sind ziemlich komplett.«
»Was?« fragte Ravic. »Hitler? Woher haben Sie den denn?«
»Von einem Homosexuellen. Er kam 1934, als Röhm und die
andern drüben getötet wurden. Hatte Angst und betete viel. Später wurde er von
einem reichen Argentinier
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