E.M. Remarque
sagte sie.
»Das weiß ich. Aber wozu räumen Sie so spät die Zimmer
noch auf?«
»Wir brauchen sie morgen früh.«
»Neue deutsche Emigranten?«
»Nein, spanische.«
»Spanische?« fragte Ravic, der einen Augenblick nicht
verstand, was sie meinte. »Wieso, die sind ja gerade weg?«
Die Wirtin sah ihn mit ihren schwarzen, glänzenden Augen
an und lächelte. Es war ein Lächeln aus einfachstem Wissen und einfachster
Ironie. »Die anderen kommen zurück«, sagte sie.
»Welche anderen?«
»Die von der Gegenseite natürlich. Das ist doch immer
so.« Sie rief dem aufräumenden Mädchen ein paar Worte zu. »Wir sind ein altes
Hotel«, sagte sie dann mit einem gewissen Stolz. »Die Gäste kommen gern zu uns
zurück. Sie warten schon auf ihre alten Zimmer.«
»Sie warten schon?« fragte Ravic erstaunt. »Wer wartet
schon?«
»Die Herren von der Gegenseite. Die meisten waren doch
schon einmal hier. Eine Anzahl ist natürlich inzwischen getötet worden. Aber
die andern haben in Biarritz und St. Jean de Luz gewartet, bis Zimmer bei uns
frei wurden.«
»Waren die denn schon einmal hier?«
»Aber, Herr Ravic!« Die Wirtin war überrascht, daß er das
nicht sofort wußte. »In der Zeit doch, als Primo de Rivera Diktator in Spanien
war. Sie mußten damals fliehen und lebten hier. Als Spanien dann republikanisch
wurde, gingen sie zurück, und die Monarchisten und Faschisten kamen her. Jetzt
gehen die letzten davon zurück, und die Republikaner kommen wieder. Die, die
noch übrig sind.«
»Richtig. Daran habe ich nicht gedacht.«
Die Wirtin blickte in eines der Zimmer. Ein farbiger
Druck des ehemaligen Königs Alfons hing über dem Bett. »Nimm das herunter,
Jeanne«, rief sie.
Das Mädchen brachte das Bild.
»Hier. Stell es hierher.«
Die Wirtin lehnte das Bild rechts an die Wand und ging
weiter. Im nächsten Zimmer hing ein Bild des Generals Franco. »Das da auch.
Stelle es zu dem andern.«
»Weshalb haben diese Spanier ihre Bilder eigentlich nicht
mitgenommen?« fragte Ravic.
»Emigranten nehmen selten Bilder mit, wenn sie
zurückgehen«, erklärte die Wirtin. »Bilder sind ein Trost in der Fremde. Wenn
man zurückgeht, braucht man sie nicht mehr. Die Rahmen sind auch zu unbequem
beim Reisen, und das Glas bricht leicht. Bilder werden fast immer in Hotels
gelassen.«
Sie stellte zwei andere Bilder des fetten Generalissimus,
eines von Alfons und ein kleines von Queipo de Llano zu den übrigen im
Korridor. »Die Heiligenbilder können wir drin lassen«, entschied sie, als sie
eine grellfarbige Madonna entdeckte. »Heilige sind neutral.«
»Nicht immer«, sagte Ravic.
»In schwierigen Zeiten hat Gott immer eine Chance. Ich
habe hier schon manchen Atheisten beten sehen.« Die Wirtin rückte mit einer
energischen Bewegung ihren linken Busen zurecht. »Haben Sie nicht auch schon
einmal gebetet, wenn Ihnen das Wasser am Halse stand?«
»Natürlich. Aber ich bin auch kein Atheist. Ich bin nur
ein Schwergläubiger.«
Der Hausknecht kam die Treppe herauf.
Er schleppte einen Haufen Bilder über den Korridor heran.
»Wollen Sie umdekorieren?« fragte Ravic.
»Natürlich. Man muß eine Menge Takt haben im Hotelfach.
Das gibt einem Hause erst den wirklichen guten Ruf. Besonders bei unserer Art
von Kundschaft, die, ich kann wohl sagen, in diesen Dingen sehr delikat ist.
Man kann nicht erwarten, daß jemand Freude an einem Zimmer hat, in dem sein
Todfeind stolz in bunten Farben und oft sogar in einem Goldrahmen auf ihn
heruntersieht. Habe ich recht?«
»Hundertprozentig.«
Die Wirtin wandte sich an den Hausknecht. »Leg die Bilder
hierher, Adolphe. Nein, stell sie besser an die Wand ins Licht, nebeneinander,
damit man sie sehen kann.«
Der Mann grunzte und bückte sich, um die
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