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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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mit­ge­nom­men. Er hieß Put­zi mit Vor­na­men. Wol­len Sie
das Bild se­hen? Es steht im Kel­ler.«
    »Jetzt nicht. Nicht im Kel­ler. Ich se­he es lie­ber, wenn
al­le Zim­mer im Ho­tel mit der­sel­ben Sor­te voll­hän­gen.«
    Die Wir­tin sah ihn einen Au­gen­blick scharf an.
    »Ach so«, sag­te sie dann. »Sie mei­nen, wenn die als
Emi­gran­ten kom­men?«
    Bo­ris stand in sei­ner gold­be­treß­ten Uni­form vor der
Sche­herazade und öff­ne­te die Tür des Ta­xis. Ra­vic stieg aus. Mo­ro­sow
schmun­zel­te. »Ich dach­te, du woll­test nicht kom­men?«
    »Das woll­te ich auch
nicht.«
    »Ich ha­be ihn ge­zwun­gen, Bo­ris.« Ka­te Hegström um­arm­te
Mo­ro­sow. »Gott­lob, daß ich wie­der zu­rück bin bei euch!«
    »Sie ha­ben ei­ne rus­si­sche See­le, Kat­ja. Der Him­mel weiß,
warum Sie in Bo­ston ge­bo­ren wer­den muß­ten. Komm, Ra­vic.« Mo­ro­sow stieß die Tür
zum Ein­gang auf. »Der Mensch ist groß in sei­nen Vor­sät­zen, aber schwach in der
Aus­füh­rung. Dar­in liegt un­ser Elend und un­ser Scharm.«
    Die Sche­herazade war wie ein kau­ka­si­sches Zelt
ein­ge­rich­tet. Die Kell­ner wa­ren Rus­sen in ro­ten Tscher­kes­sen­uni­for­men. Das
Or­che­s­ter be­stand aus rus­si­schen und ru­mä­ni­schen Zi­geu­nern. Man saß an klei­nen
Ti­schen, die vor ei­ner Ban­ket­te stan­den, die an der Wand ent­lan­glief. Der Raum
war dun­kel und ziem­lich be­setzt.
    »Was wol­len Sie trin­ken, Ka­te?« frag­te Ra­vic.
    »Wod­ka. Und die Zi­geu­ner sol­len spie­len. Ich ha­be ge­nug
vom ›Wie­ner Wald‹ im Pa­ra­de­marsch.« Sie schlüpf­te aus ih­ren Schu­hen und zog die
Fü­ße auf die Ban­ket­te. »Ich bin jetzt nicht mehr mü­de, Ra­vic«, sag­te sie. »Ein
paar Stun­den Pa­ris ha­ben mich schon ver­än­dert. Aber mir ist im­mer noch, als
wä­re ich aus ei­nem Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ent­kom­men. Kön­nen Sie sich das
vor­stel­len?«
    Ra­vic sah sie an. »So un­ge­fähr«, sag­te er.
    Der Tscher­kes­se brach­te ei­ne klei­ne Fla­sche Wod­ka und die
Glä­ser. Ra­vic füll­te sie und gab ei­nes an Ka­te Hegström. Sie trank es rasch und
durs­tig und stell­te es zu­rück. Dann sah sie sich um. »Ei­ne Mot­ten­bu­de«, sag­te
sie und lä­chel­te. »Aber nachts wird sie ei­ne Höh­le der Zu­flucht und der
Träu­me.«
    Sie lehn­te sich zu­rück. Das wei­che Licht un­ter der
Tisch­plat­te er­leuch­te­te ihr Ge­sicht. »Warum, Ra­vic? Nachts wird al­les far­bi­ger.
Nichts er­scheint ei­nem mehr schwer, man glaubt, al­les zu kön­nen, und was man
nicht er­rei­chen kann, füllt man mit Träu­men aus. Warum?«
    Er lä­chel­te. »Wir ha­ben un­se­re Träu­me, weil wir oh­ne sie
die Wahr­heit nicht er­tra­gen könn­ten.«
    Das Or­che­s­ter be­gann zu stim­men. Ein paar Quin­ten und ein
paar Gei­gen­läu­fe flat­ter­ten auf. »Sie se­hen nicht so aus, als ob Sie sich mit
Träu­men be­trü­gen wür­den«, sag­te Ka­te.
    »Man kann sich auch mit der Wahr­heit be­trü­gen. Das ist
ein noch ge­fähr­li­che­rer Traum.«
    Das Or­che­s­ter fing an zu spie­len. An­fangs war es nur das
Cym­bal. Die wei­chen um­wi­ckel­ten Häm­mer pflück­ten lei­se, fast un­hör­bar, ei­ne
Me­lo­die aus der Däm­me­rung, war­fen sie hoch in ein sanf­tes Glis­san­do und ga­ben
sie dann zö­gernd wei­ter an die Vio­li­nen.
    Der Zi­geu­ner kam lang­sam über die Tanz­flä­che her­an an den
Tisch. Er stand da, lä­chelnd, die Gei­ge an der Schul­ter, mit zu­dring­li­chen
Au­gen und gie­rig ab­we­sen­dem Ge­sicht. Oh­ne sei­ne Gei­ge wä­re er ein Vieh­händ­ler
ge­we­sen – mit ihr war er der Bo­te der Step­pe, der wei­ten Aben­de, der Ho­ri­zon­te
und all des­sen, was nie Wirk­lich­keit war.
    Ka­te Hegström fühl­te die Me­lo­die auf ih­rer Haut wie
Quell­was­ser im April. Sie war plötz­lich vol­ler Echos, aber nie­mand war da, der
nach ihr rief. Ver­weh­te Stim­men mur­mel­ten, va­ge Er­in­ne­rungs­fet­zen flat­ter­ten,
manch­mal blink­te es wie Bro­kat, aber es ver­wir­bel­te, und nie­mand war da, der
rief. Nie­mand rief.
    Der Zi­geu­ner ver­beug­te sich. Ra­vic schob ihm un­ter dem Tisch einen Schein in die Hand. Ka­te Hegström
rühr­te sich in ih­rer Ecke. »Wa­ren Sie ein­mal glück­lich,

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