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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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Re­fu­gié.« Sie lä­chel­te stär­ker und sah ihn mit
küh­len Au­gen an. »Man wür­de Ih­nen nicht glau­ben und sich höchs­tens für das
fran­zö­si­sche Di­plom in­ter­es­sie­ren, das Sie nicht ha­ben. Drau­ßen im Vor­zim­mer
sitzt ein Po­li­zei­be­am­ter. Wenn Sie wol­len, kön­nen Sie mich da gleich an­zei­gen.
Sie wer­den es nicht tun. Aber mei­nen Vor­schlag kön­nen Sie sich über­le­gen. Sie
wür­den mir Ih­ren Na­men und Ih­re Adres­se nicht ge­ben, nicht wahr?«
    »Nein«, sag­te Ra­vic, der sich ge­schla­gen fühl­te.
    »Das dach­te ich mir.« Die Bou­cher sah jetzt wirk­lich aus
wie ei­ne un­ge­heu­re, voll­ge­fres­se­ne Kat­ze. »Au re­voir, Mon­sieur! Über­le­gen Sie
mein An­ge­bot. Ich ha­be schon öf­ter dar­an ge­dacht, einen Re­fu­gié-Arzt
hin­zu­zu­zie­hen.«
    Ra­vic lä­chel­te. Er wuß­te, wes­halb. Einen Re­fu­gié-Arzt
hat­te sie voll­kom­men in der Hand. Wenn ir­gend­wann ein­mal et­was pas­sier­te, war
er der Schul­di­ge. »Ich wer­de dar­über nach­den­ken«, sag­te er. »Au re­voir,
Ma­da­me!«
    Er ging den dunklen Kor­ri­dor ent­lang. Hin­ter ei­ner der
Tü­ren hör­te er je­mand stöh­nen. Er nahm an, daß die Zim­mer wie Ko­jen
ein­ge­rich­tet wa­ren, mit Bet­ten. Die Frau­en blie­ben ein paar Stun­den dort
lie­gen, be­vor sie nach Hau­se wank­ten.
    Im Vor­zim­mer saß ein schlan­ker Mann mit ei­nem ge­stutz­ten
Schnurr­bärt­chen und oliv­far­be­ner Haut. Er be­trach­te­te Ra­vic auf­merk­sam. Ne­ben
ihm saß Ro­ger. Er hat­te ei­ne zwei­te Fla­sche des al­ten Ko­gnaks auf dem Tisch.
Un­will­kür­lich such­te er sie zu ver­ste­cken, als er Ra­vic sah. Dann grins­te er
und ließ die Hand fal­len. »Bon­soir, doc­teur«, sag­te er und zeig­te ein fle­cki­ges
Ge­biß. Er schi­en an der Tür ge­lauscht zu ha­ben.
    »Bon­soir, Ro­ger.« Es schi­en Ra­vic an­ge­mes­sen, fa­mi­li­är zu
sein. In­ner­halb ei­ner hal­b­en Stun­de hat­te das un­ver­wüst­li­che Weib da­d­rin­nen ihn
aus ei­nem of­fe­nen Feind na­he­zu in einen Kom­pli­cen ver­wan­delt. Da war es da­nach
di­rekt ei­ne Er­lö­sung, nicht zu for­mell zu Ro­ger zu spre­chen, der plötz­lich,
nach all dem, et­was er­staun­lich Mensch­li­ches hat­te.
    Un­ten auf der Trep­pe be­geg­ne­ten ihm zwei Mäd­chen. Sie
such­ten an den Tü­ren her­um. »Mein Herr«, frag­te die ei­ne dann mit ei­nem
Ent­schluß.
    »Wohnt Ma­da­me Bou­cher hier im Hau­se?«
    Ra­vic zö­ger­te. Aber was hat­te es für einen Zweck, et­was
zu sa­gen? Es wür­de nichts nüt­zen. Sie wür­den doch ge­hen. Er konn­te ih­nen ja
auch nichts an­de­res an­ge­ben. »Im drit­ten Stock. Es ist ein Schild an der Tür.«
    Das Leucht­zif­fer­blatt der Uhr schim­mer­te wie ei­ne
win­zi­ge, ge­borg­te Son­ne durch das Dun­kel. Es war fünf Uhr mor­gens. Jo­an hät­te
um drei Uhr kom­men sol­len. Mög­lich, daß sie noch kam. Mög­lich auch, daß sie zu
mü­de ge­we­sen und gleich in ihr Ho­tel ge­gan­gen war.
    Ra­vic leg­te sich zu­rück, um wei­ter zu schla­fen. Aber er
schlief nicht ein. Er lag lan­ge und blick­te auf die De­cke, auf der das ro­te
Band der Leucht­re­kla­me vom Dach schräg ge­gen­über in re­gel­mä­ßi­gen Ab­stän­den
ent­lan­glief. Er fühl­te sich leer und wuß­te nicht warum. Es war, als ob die
Wär­me sei­nes Kör­pers lang­sam durch die Haut tropf­te, ir­gend­wo­hin, und als ob
sein Blut sich an­leh­nen woll­te, an et­was, das nicht da war, und als ob es fiel
und fiel in ein sanf­tes Nir­gend­wo. Er kreuz­te die Hän­de hin­ter dem Kopf und lag
still. Er wuß­te jetzt, daß er war­te­te. Und er wuß­te, daß nicht nur sein
Be­wußt­sein auf Jo­an Ma­dou war­te­te, daß sei­ne Hän­de und sei­ne Adern und ei­ne
son­der­ba­re, frem­de Zärt­lich­keit in ihm war­te­ten.
    Er stand auf, zog sei­nen Mor­gen­man­tel an und setz­te sich
ans Fens­ter. Er fühl­te die Wär­me der wei­chen Wol­le auf sei­ner Haut. Der Man­tel
war alt; er hat­te ihn durch vie­le Jah­re mit­ge­schleppt. Er hat­te in ihm auf der
Flucht ge­schla­fen; er hat­te in den kal­ten Näch­ten Spa­ni­ens, wenn er tod­mü­de aus
dem La­za­rett in sei­ne Ba­ra­cke zu­rück­kam, sich in ihm ge­wärmt, Jua­na,

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