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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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frag­te er.
    »Ich weiß es nicht.
Ich bin erst um sie­ben ge­kom­men.«
    »Eve«, sag­te Ra­vic. »Wie fühlt man sich, wenn man je­den
Mor­gen ein Dut­zend Bet­ten von frem­den Leu­ten ma­chen muß?«
    »Es geht, Herr Ra­vic. So­lan­ge die Herr­schaf­ten wei­ter
nichts wol­len. Aber es sind im­mer ei­ni­ge da, die mehr wol­len. Da­bei sind die
Bor­del­le doch so bil­lig in Pa­ris.«
    »Mor­gens kann man nicht ins Bor­dell ge­hen, Eve. Und
mor­gens füh­len sich man­che Gäs­te be­son­ders stark.«
    »Ja, be­son­ders die al­ten.« Sie zuck­te die Schul­tern. »Man
ver­liert das Trink­geld, wenn man es nicht tut, das ist al­les. Ei­ni­ge be­schwe­ren
sich auch hin­ter­her je­den Au­gen­blick – daß das Zim­mer nicht sau­ber sei oder daß
man frech wä­re. Aus Wut na­tür­lich. Man kann nichts da­ge­gen tun. So ist das
Le­ben.«
    Ra­vic zog einen Geld­schein her­vor. »Ma­chen wir uns heu­te
das Le­ben et­was ein­fa­cher, Eve. Kau­fen Sie sich einen Hut da­für. Oder ei­ne
Woll­ja­cke.«
    Eves Au­gen be­leb­ten sich. »Dan­ke, Herr Ra­vic. Der Tag
fängt gut an. Soll ich dann das Bett spä­ter ma­chen?«
    »Ja.«
    Sie sah ihn an. »Die Da­me ist ei­ne sehr in­ter­essan­te
Da­me«, sag­te sie. »Die Da­me, die jetzt im­mer kommt.«
    »Noch ein Wort, und ich neh­me Ih­nen den Schein wie­der
ab.« Ra­vic schob Eve zur Tür hin­aus. »Die al­ten Ero­ti­ker war­ten schon auf Sie.
Ent­täu­schen Sie sie nicht.«
    Er setz­te sich an den Tisch und aß. Das Früh­stück
schmeck­te ihm nicht be­son­ders. Er stand auf und aß ste­hend. Es schmeck­te
bes­ser.
    Die Son­ne kam rot über die Dä­cher. Das Ho­tel er­wach­te.
Der al­te Gold­berg im Stock un­ter ihm be­gann sein Mor­gen­kon­zert. Er hus­te­te und
krächz­te, als hät­te er sechs Lun­gen. Der Emi­grant Wie­sen­hoff öff­ne­te sein
Fens­ter und pfiff einen Pa­ra­de­marsch. Im Stock dar­über rausch­te Was­ser. Tü­ren
klapp­ten. Nur bei den Spa­ni­ern war al­les still. Ra­vic reck­te sich. Die Nacht
war vor­bei. Die Kor­rup­ti­on der Dun­kel­heit war vor­über. Er be­schloß, ein paar
Ta­ge al­lein zu blei­ben.
    Drau­ßen rie­fen die Zei­tungs­jun­gen die Mor­gen­nach­rich­ten
aus. – Zwi­schen­fäl­le an der tsche­chi­schen Gren­ze. Deut­sche Trup­pen an der
Su­de­ten­li­nie. Der Pakt von Mün­chen in Ge­fahr.

11
    11    Der
Jun­ge schrie nicht. Er starr­te die Ärz­te nur an. Er war noch so ver­stört,
daß er den Schmerz nicht fühl­te. Ra­vic warf einen Blick auf das zer­schmet­ter­te
Bein. »Wie alt ist er?« frag­te er die Mut­ter.
    »Was?« frag­te die Frau ver­ständ­nis­los.
    »Wie alt ist er?«
    Die Frau mit dem Kopf­tuch be­weg­te die Lip­pen. »Sein
Bein!« sag­te sie. »Sein Bein! Es war ein Last­au­to.«
    Ra­vic horch­te das Herz ab. »Ist er ein­mal krank ge­we­sen,
frü­her?«
    »Sein Bein!« sag­te die Frau.
    »Es ist doch sein Bein!«
    Ra­vic rich­te­te sich auf. Das Herz schlug rasch wie ein
Vo­gel­herz, aber es war nichts Alar­mie­ren­des zu hö­ren. Er muß­te den Jun­gen, der
ab­ge­zehrt und ra­chi­tisch aus­sah, wäh­rend der Nar­ko­se be­ob­ach­ten. Er muß­te
so­fort an­fan­gen. Das zer­ris­se­ne Bein war voll Stra­ßen­schmutz.
    »Wird nun das Bein ab­ge­nom­men?« frag­te der Jun­ge.
    »Nein«, sag­te Ra­vic, oh­ne es zu glau­ben.
    »Es ist bes­ser, Sie neh­men es ab, an­statt daß es steif
wird.«
    Ra­vic sah auf­merk­sam in das alt­klu­ge Ge­sicht. Es war noch
kein Zei­chen von Schmerz dar­in. »Wir wer­den se­hen«, sag­te er. »Wir müs­sen dich
jetzt ein­schlä­fern. Es ist sehr ein­fach. Du brauchst kei­ne Angst zu ha­ben. Sei
ganz ru­hig.«
    »Einen Au­gen­blick, mein Herr. Die Num­mer ist FO 2019. Wol­len Sie das auf­schrei­ben für mei­ne Mut­ter?«
    »Was? Was, Jean­not?« frag­te die Mut­ter auf­ge­schreckt.
    »Ich ha­be mir die
Num­mer ge­merkt. Die Num­mer des Au­tos. FO 2019. Ich sah sie dicht vor mir. Es
war ro­tes Licht. Der Fah­rer war schuld.« Der Jun­ge be­gann müh­sam zu at­men. »Die
Ver­si­che­rung muß zah­len. Die Num­mer ...«
    »Ich ha­be sie auf­ge­schrie­ben«, sag­te Ra­vic. »Sei ru­hig.
Ich ha­be al­les auf­ge­schrie­ben.« Er wink­te Eu­ge­nie, mit der Nar­ko­se an­zu­fan­gen.
    »Mei­ne

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