E.M. Remarque
jetzt Eduard. Wir
aber werden um das Gulasch kämpfen, auch wenn wir eine Stunde warten müssen –
es ist ein Glanzpunkt auf der Speisekarte des «Walhalla».
Doch
Eduard ist nicht nur Poet, sondern scheint auch Gedankenleser zu sein. «Keinen
Zweck zu warten», sagt er. «Wir haben nie genug Gulasch und sind immer
vorzeitig ausverkauft. Oder möchten Sie ein deutsches Beefsteak? Das können Sie
hier an der Theke essen.»
«Lieber
tot», sage ich. «Wir werden Gulasch kriegen, und wenn wir dich selbst zerhacken
müssen.»
«Wirklich?»
Eduard ist nichts als ein fetter, zweifelnder Triumph.
«Ja»,
erwidere ich und gebe ihm einen zweiten Klaps auf den Bauch. «Komm, Georg, wir
haben einen Tisch.»
«Wo?»
fragt Eduard rasch.
«Dort,
wo der Herr sitzt, der aussieht wie ein Kleiderschrank. Ja, der mit dem roten
Haar und der eleganten Dame. Der, der aufgestanden ist und uns zuwinkt. Mein
Freund Willy, Eduard. Schick den Kellner, wir wollen bestellen!»
Eduard
läßt ein zischendes Geräusch hinter uns hören, als wäre er ein geplatzter
Autoschlauch. Wir gehen zu Willy hinüber.
Der Grund dafür, daß
Eduard das ganze Theater aufführt, ist einfach. Früher konnte man bei ihm auf
Abonnement essen. Man kaufte ein Heft mit zehn Eßmarken und bekam die einzelnen
Mahlzeiten dadurch etwas billiger. Eduard tat das damals, um das Geschäft zu
heben. In den letzten Wochen aber hat ihm die Inflationslawine einen Strich
durch die Rechnung gemacht; wenn die erste Mahlzeit eines Heftchens dem Preise
noch entsprach, den man gezahlt hatte, so war er bei der zehnten schon
erheblich gesunken. Eduard gab deshalb die Abonnementshefte auf; er verlor
zuviel dabei. Hier aber waren wir gescheit gewesen. Wir hatten zeitig von
seinem Plan gehört und deshalb vor sechs Wochen den gesamten Erlös aus einem
Kriegerdenkmal dazu verwendet, im «Walhalla» Eßkarten en gros zu kaufen. Damit
es Eduard nicht allzusehr auffiel, hatten wir verschiedene Leute dazu benützt –
den Sargtischler Wilke, den Friedhofwärter Liebermann, unseren Bildhauer Kurt
Bach, Willy, ein paar andere Kriegskameraden und Geschäftsfreunde, und sogar
Lisa. Alle hatten an der Kasse Hefte mit Eßmarken für uns erstanden. Als Eduard
dann die Abonnements aufhob, hatte er erwartet, daß binnen zehn Tagen alles
erledigt sein würde, weil jedes Heft ja nur zehn Karten enthielt und er annahm,
daß ein vernünftiger Mensch nur ein einziges Abonnement habe. Wir aber hatten
jeder über dreißig Hefte in unserem Besitz. Vierzehn Tage nach der Aufhebung
der Abonnements wurde Eduard unruhig, als wir immer noch mit Marken zahlten;
nach vier Wochen hatte er einen leichten Anfall von Panik. Wir aßen um diese
Zeit bereits für den halben Preis; nach sechs Wochen für den Preis von zehn
Zigaretten. Tag für Tag erschienen wir und gaben unsere Marken ab. Eduard
fragte, wieviel wir noch hätten; wir antworteten ausweichend. Er versuchte, die
Scheine zu sperren; wir brachten das nächstemal einen Rechtsanwalt mit, den wir
zum Wiener Schnitzel eingeladen hatten. Der Anwalt gab Eduard beim Nachtisch
eine Rechtsbelehrung über Kontrakte und Verpflichtungen und bezahlte sein Essen
mit einem unserer Scheine. Eduards Lyrik nahm dunkle Züge an. Er versuchte, mit
uns einen Vergleich zu schließen; wir lehnten ab. Er schrieb ein Lehrgedicht:
«Unrecht Gut gedeiht nicht», und schickte es an das Tageblatt. Der Redakteur
zeigte es uns; es war mit scharfen Anspielungen auf die Totengräber des Volkes
gespickt; auch Grabsteine kamen darin vor und das Wort Wucher-Kroll. Wir luden
unsern Anwalt zu einem Schweinskotelett im «Walhalla» ein. Er machte Eduard den
Begriff öffentlicher Beleidigung und seine Folgen klar und zahlte wieder mit
einem unserer Scheine. Eduard, der früher
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