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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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rei­ner Blu­men-Ly­ri­ker ge­we­sen war,
fing an, Haß­ge­dich­te zu schrei­ben. Doch das war auch al­les, was er tun konn­te.
Der Kampf tobt wei­ter. Eduard hofft täg­lich, daß un­se­re Re­ser­ven er­schöpft sein
wer­den; er weiß nicht, daß wir noch für über sie­ben Mo­na­te Mar­ken ha­ben. Wil­ly
er­hebt sich. Er trägt einen dun­kel­grü­nen, neu­en An­zug aus erst­klas­si­gem Stoff
und sieht dar­in aus wie ein rot­köp­fi­ger Laub­frosch. Sei­ne Kra­wat­te ist mit
ei­ner Per­le ge­schmückt, und auf dem Zei­ge­fin­ger der rech­ten Hand trägt er einen
schwe­ren Sie­gel­ring. Vor fünf Jah­ren war er Ge­hil­fe un­se­res Kom­pa­nie­fou­ri­ers.
Er ist so alt wie ich – fünf­und­zwan­zig Jah­re.
    «Darf
ich vor­stel­len?» fragt Wil­ly. «Mei­ne Freun­de und Kriegs­ka­me­ra­den Ge­org Kroll
und Lud­wig Bod­mer – Fräu­lein Renée de la Tour vom Mou­lin Rou­ge, Pa­ris.»
    Renée
de la Tour nickt re­ser­viert, aber nicht un­freund­lich. Wir star­ren Wil­ly an.
Wil­ly starrt stolz zu­rück. «Set­zen Sie sich, mei­ne Her­ren», sagt er. «Wie ich
an­neh­me, hat Eduard euch vom Es­sen aus­schlie­ßen wol­len. Das Gu­lasch ist gut,
könn­te nur mehr Zwie­beln ha­ben. Kommt, wir rücken gern zu­sam­men.»
    Wir
grup­pie­ren uns um den Tisch. Wil­ly kennt un­se­ren Krieg mit Eduard und ver­folgt
ihn mit dem In­ter­es­se des ge­bo­re­nen Spie­lers.
    «Kell­ner!»
ru­fe ich.
    Ein
Kell­ner, der vier Schrit­te ent­fernt auf Platt­fü­ßen an uns vor­über­wat­schelt, ist
plötz­lich taub. «Kell­ner!» ru­fe ich noch ein­mal.
    «Du
bist ein Bar­bar», sagt Ge­org Kroll. «Du be­lei­digst den Mann mit sei­nem Be­ruf.
Wo­zu hat er 1918 Re­vo­lu­ti­on ge­macht? Herr Ober!»
    Ich
grin­se. Es ist wahr, daß die deut­sche Re­vo­lu­ti­on von 1918 die un­blu­tigs­te der
Welt war. Die Re­vo­lu­tio­näre selbst wa­ren von sich so er­schreckt, daß sie so­fort
die Bon­zen und Ge­nerä­le der al­ten Re­gie­rung zu Hil­fe rie­fen, um sie vor ih­rem
ei­ge­nen Mu­t­an­fall zu schüt­zen. Die ta­ten es auch groß­mü­tig. Ei­ne An­zahl
Re­vo­lu­tio­näre wur­den um­ge­bracht, die Fürs­ten und Of­fi­zie­re er­hiel­ten groß­ar­ti­ge
Pen­sio­nen, da­mit sie Zeit hat­ten, Put­sche vor­zu­be­rei­ten, Be­am­te be­ka­men neue
Ti­tel, Ober­leh­rer wur­den Stu­di­en­rä­te, Schu­l­in­spek­to­ren Schul­rä­te, Kell­ner
er­hiel­ten das Recht, mit Ober­kell­ner an­ge­re­det zu wer­den, frü­he­re
Par­tei­se­kre­tä­re wur­den Ex­zel­len­zen, der so­zi­al­de­mo­kra­ti­sche Reichs­wehr­mi­nis­ter
durf­te vol­ler Se­lig­keit ech­te Ge­nerä­le un­ter sich in sei­nem Mi­nis­te­ri­um ha­ben,
und die deut­sche Re­vo­lu­ti­on ver­sank in ro­tem Plüsch, Ge­müt­lich­keit, Stamm­tisch
und Sehn­sucht nach Uni­for­men und Kom­man­dos.
    «Herr
Ober!» wie­der­holt Ge­org.
    Der
Kell­ner bleibt taub. Es ist der al­te, kin­di­sche Trick Eduards; er ver­sucht, uns
mür­be zu ma­chen, in­dem er die Kell­ner in­stru­iert, uns nicht zu be­die­nen.
    «Ober!
Kerl, kön­nen Sie nicht hö­ren?» brüllt plötz­lich ei­ne Don­ner­stim­me in
erst­klas­si­gem preu­ßi­schem Ka­ser­nen­hof­ton durch den Spei­se­saal. Sie wirkt auf
der Stel­le, wie ein Trom­pe­ten­si­gnal auf al­te Schlacht­pfer­de. Der Kell­ner hält
an, als hät­te er einen Schuß in den Rücken be­kom­men, und dreht sich um; zwei
an­de­re stür­zen von der Sei­te her­bei, ir­gend­wo klappt je­mand die Ha­cken
zu­sam­men, ein mi­li­tä­risch aus­se­hen­der Mann an ei­nem Tisch in der Nä­he sagt lei­se:
«Bra­vo» – und selbst Eduard kommt mit we­hen­dem Bra­ten­rock, um nach die­ser
Stim­me aus hö­he­ren Sphä­ren zu for­schen. Er weiß, daß we­der Ge­org noch ich so
kom­man­die­ren kön­nen.
    Wir
se­hen uns sprach­los nach Renée de la Tour um. Sie sitzt fried­lich und mäd­chen­haft
da, als gin­ge sie das Gan­ze nichts an. Da­bei kann nur sie es sein, die ge­ru­fen
hat – wir ken­nen Wil­lys Stim­me.
    Der
Ober steht am Tisch. «Was be­feh­len die Herr­schaf­ten?»
    «Nu­del­sup­pe,
Gu­lasch und ro­te Grüt­ze für zwei», er­wi­dert Ge­org. «Und flott, sonst bla­sen wir
Ih­nen die Oh­ren aus, Sie

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