E.M. Remarque
ungedeckten Geldscheinen bezahlt.
Wir
blicken gleichzeitig auf das einzige dieser Glanzstücke, das bis vor einer
Viertelstunde noch Eigentum der Firma war. Da steht es, schwarz und blitzend
wie der Lack eines neuen Automobils, das Frühjahr umduftet es, Fliederblüten
neigen sich ihm zu, es ist eine große Dame, kühl, unberührt und noch für eine
Stunde jungfräulich –, dann wird ihm der Name des Hofbesitzers Heinrich
Fleddersen auf den schmalen Bauch gemeißelt werden, in lateinischer,
vergoldeter Schrift, der Buchstabe zu achthundert Mark. «Fahre wohl, schwarze
Diana!» sage ich. «Dahin!» und lüfte meinen Hut. «Es ist dem Poeten ewig
unverständlich, daß auch vollkommene Schönheit den Gesetzen des Schicksals
untersteht und elend sterben muß! Fahr wohl! Du wirst nun eine schamlose
Reklame für die Seele des Gauners Fleddersen werden, der armen Witwen aus der
Stadt ihre letzten Zehntausender für viel zu teure, mit Margarine verfälschter
Butter entrissen hat – von seinen Wucherpreisen für Kalbsschnitzel,
Schweinekoteletts und Rinderbraten ganz zu schweigen! Fahr wohl!»
«Du
machst mich hungrig», erklärt Georg. «Auf zur Walhalla‘! Oder mußt du vorher
noch deinen Schlips kaufen?»
«Nein,
ich habe Zeit, bis die Geschäfte schließen. Sonnabends gibt es nachmittags
keinen neuen Dollarkurs. Von zwölf Uhr heute mittag bis Montag früh bleibt
unsere Währung stabil. Warum eigentlich? Da muß irgendwas mächtig faul dabei
sein. Warum fällt die Mark über das Wochenende nicht? Hält Gott sie auf?»
«Weil
die Börse dann nicht arbeitet. Sonst noch Fragen?»
«Ja.
Lebt der Mensch von innen nach außen oder von außen nach innen?»
«Der
Mensch lebt, Punkt. Es gibt Gulasch im ,Walhalla‘, Gulasch mit Kartoffeln,
Gurken und Salat. Ich habe das Menü gesehen, als ich von der Bank kam.»
«Gulasch!»
Ich pflücke eine Primel und stecke sie mir ins Knopfloch. «Der Mensch lebt, du
hast recht! Wer weiter fragt, ist schon verloren. Komm, laß uns Eduard Knobloch
ärgern!»
Wir betreten den
großen Speisesaal des Hotels «Walhalla». Eduard Knobloch, der Besitzer, ein
fetter Riese mit einer braunen Perücke und einem wehenden Bratenrock, verzieht
bei unserem Anblick das Gesicht, als hätte er bei einem Rehrücken auf eine
Schrotkugel gebissen.
«Guten
Tag, Herr Knobloch», sagte Georg. «Schönes Wetter heute! Macht mächtigen
Appetit!»
Eduard
zuckt nervös die Achseln. «Zuviel essen ist ungesund! Schadet der Leber, der
Galle, allem.»
«Nicht
bei Ihnen, Herr Knobloch», erwidert Georg herzlich. «Ihr Mittagstisch ist
gesund.»
«Gesund,
ja. Aber zuviel gesund kann auch schädlich sein. Nach den neuesten
wissenschaftlichen Forschungen ist zuviel Fleisch ...»
Ich
unterbreche Eduard, indem ich ihm einen leichten Schlag auf seinen weichen
Bauch versetze. Er fährt zurück, als hätte ihm jemand an die Geschlechtsteile
gegriffen. «Gib Ruhe und füge dich in dein Geschick», sage ich. «Wir fressen
dich schon nicht arm. Was macht die Poesie?»
«Geht
betteln. Keine Zeit! Bei diesen Zeiten!»
Ich
lache nicht über diese Albernheit. Eduard ist nicht nur Gastwirt, er ist auch
Dichter; aber so billig darf er mir nicht kommen. «Wo ist ein Tisch?» frage
ich.
Knobloch
sieht sich um. Sein Gesicht erhellt sich plötzlich.
«Es
tut mir außerordentlich leid, meine Herren, aber ich sehe gerade, daß kein
Tisch frei ist.»
«Das
macht nichts. Wir warten.»
Eduard
blickt noch einmal umher. «Es sieht so aus, als ob auch einstweilen keiner frei
würde», verkündet er strahlend. «Die Herrschaften sind alle erst bei der Suppe.
Vielleicht versuchen Sie es heute einmal im ,Altstädter Hof‘ oder im
Bahnhofshotel. Man soll dort auch passabel essen.»
Passabel!
Der Tag scheint von Sarkasmus zu triefen. Erst Heinrich und
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