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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Er­schei­nung, mit ho­hen Schnürs­tie­feln, schwar­zer Wä­sche, ei­ner Art
Lö­wen­bän­di­ge­r­uni­form, ei­ner grau­en Astra­chan-Fell­kap­pe und ei­nem Mund vol­ler
Gold­zäh­ne. Ge­ne­ra­tio­nen jun­ger Ly­ri­ker und Re­dak­teu­re ha­ben auf ihr das Ex­amen
des Le­bens ge­macht, und sie ist auch für Ot­to durch Vor­stands­be­schluß be­stimmt
wor­den. Sie oder Frit­zi. Wir ha­ben dar­auf be­stan­den, daß sie in großer
Auf­ma­chung käme – und sie hat uns nicht im Stich ge­las­sen. Sie stutzt, als wir
sie mit Ot­to be­kannt­ma­chen. Sie hat wohl ge­glaubt, et­was Fri­sche­res, Jün­ge­res
vor­ge­wor­fen zu be­kom­men. Bam­buss sieht pa­pie­ren aus, blaß, dünn, mit Pi­ckeln,
ei­nem dürf­ti­gen Schnurr­bärt­chen, und er ist be­reits sechs­und­zwan­zig Jah­re alt.
Au­ßer­dem schwitzt er im Au­gen­blick wie ein Ret­tich im Salz. Das Ei­ser­ne Pferd
reißt sei­nen gol­de­nen Ra­chen zu ei­nem gut­mü­ti­gen Grin­sen auf und pufft den
er­schau­ern­den Bam­buss in die Sei­te. «Komm, schmeiß einen Ko­gnak», sagt es
fried­lich.
    «Was
kos­tet ein Ko­gnak?» fragt Ot­to das Ser­vier­mäd­chen.
    «Sech­zig­tau­send.»
    «Was?»
fragt Hun­ger­mann alar­miert. «Vier­zig­tau­send, kei­nen Pfen­nig mehr!»
    «Pfen­nig»,
sagt die Puff­mut­ter. «Das Wort ha­be ich lan­ge nicht mehr ge­hört.»
    «Vier­zig­tau­send
war ges­tern, Schatz», er­klärt das Ei­ser­ne Pferd.
    «Vier­zig­tau­send
war heu­te mor­gen. Ich war heu­te mor­gen hier im Auf­tra­ge des Ko­mi­tees.»
    «Von
was für ei­nem Ko­mi­tee?»
    «Vom
Ko­mi­tee für die Er­neue­rung der Ly­rik durch di­rek­te Er­fah­rung.»
    «Schatz»,
sagt das Ei­ser­ne Pferd. «Das war vor dem Dol­lar­kurs.»
    «Es
war nach dem Elf-Uhr-Dol­lar­kurs.»
    «Es
war vor dem Nach­mit­tags­kurs», er­klärt die Puff­mut­ter. «Seid nicht sol­che
Geiz­hälse!»
    «Sech­zig­tau­send
ist be­reits nach dem Dol­lar­kurs für über­mor­gen be­rech­net», sa­ge ich.
    «Nach
dem für mor­gen. Je­de Stun­de bist du et­was nä­her dran. Be­ru­hi­ge dich! Der
Dol­lar­kurs ist wie der Tod. Du kannst ihm nicht ent­ge­hen. Heißt du nicht
Lud­wig?»
    «Rolf»,
er­wi­de­re ich fest. «Lud­wig ist nicht aus dem Krie­ge zu­rück­ge­kom­men.»
    Hun­ger­mann
wird plötz­lich von ei­ner bö­sen Ah­nung er­grif­fen. «Und die Ta­xe?» fragt er. «Wie
ist die? Zwei Mil­lio­nen war ab­ge­macht. Mit Aus­zie­hen und ei­nem halb­stün­di­gen
Ge­spräch nach­her. Das Ge­spräch ist wich­tig für un­se­ren Kan­di­da­ten.»
    «Drei»,
er­wi­dert das Ei­ser­ne Pferd phleg­ma­tisch. «Und das ist bil­lig.»
    «Ka­me­ra­den,
wir sind ver­ra­ten!» schmet­tert Hun­ger­mann.
    «Weißt
du, was ho­he Stie­fel bis fast zum Hin­tern heu­te kos­ten?» fragt das Ei­ser­ne
Pferd.
    «Zwei
Mil­lio­nen und kei­nen Cen­ti­me mehr. Wenn selbst hier Ab­ma­chun­gen nicht mehr
gel­ten, was soll dann aus der Welt wer­den?»
    «Ab­ma­chun­gen!
Was sind Ab­ma­chun­gen, wenn der Kurs schwankt wie be­sof­fen?»
    Matt­hi­as
Grund, der als Dich­ter des Bu­ches vom To­de na­tur­ge­mäß bis jetzt ge­schwie­gen
hat, er­hebt sich. «Dies ist das ers­te Puff, das na­tio­nal­so­zia­lis­tisch ver­seucht
ist», er­klärt er wü­tend. «Ver­trä­ge sind Fet­zen Pa­pier, was?»
    «Ver­trä­ge
und Geld», er­wi­dert das Ei­ser­ne Pferd un­er­schüt­ter­lich. «Aber ho­he Stie­fel sind
ho­he Stie­fel, und schwar­ze Reiz­wä­sche ist schwar­ze Reiz­wä­sche. Näm­lich
blöd­sin­nig teu­er. Warum nehmt ihr kei­ne mitt­le­re Klas­se für eu­ren Kon­fir­man­den?
So wie bei Be­er­di­gun­gen – da gibt’s auch mit und oh­ne Fe­der­busch. Zwei­te Klas­se
ge­nügt für den da!»
    Da­ge­gen
ist nichts zu sa­gen. Die Dis­kus­si­on hat einen to­ten Punkt er­reicht. Plötz­lich
ent­deckt Hun­ger­mann, daß Bam­buss heim­lich nicht nur sei­nen ei­ge­nen, son­dern
auch den Ko­gnak des Ei­ser­nen Pfer­des aus­ge­trun­ken hat.
    «Wir
sind ver­lo­ren», sagt er. «Wir müs­sen be­zah­len, was die­se Wall­stree­thyä­nen hier
von uns ver­lan­gen. Das hät­test du uns nicht an­tun sol­len, Ot­to! Jetzt müs­sen
wir dei­ne Ein­füh­rung ins Le­ben ein­fa­cher ge­stal­ten.

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