E.M. Remarque
wieder auf und beteuert, spazierengegangen zu sein. Der
Kümmel tut allmählich seine Wirkung.
Otto
Bambuss zieht plötzlich Papier und Bleistift heraus und macht heimlich Notizen.
Ich sehe ihm über die Schulter. «Die Tigerin», lautet die Überschrift. «Willst
du nicht noch etwas warten mit den freien Rhythmen und Hymnen?» frage ich.
Er
schüttelt den Kopf. «Der frische erste Eindruck ist das Wichtigste.»
«Aber
du hast doch nur eins mit der Peitsche über den Hintern gekriegt und dann ein
paar mit der Waschschüssel über den Schädel! Was ist da Tigerisches dran?»
«Das
überlaß nur mir!» Bambuss gießt einen Kümmel durch seinen zerfransten
Schnurrbart. «Jetzt kommt die Macht der Phantasie! Ich blühe bereits von Versen
wie ein Rosenbusch. Was heißt Rosenbusch? Wie eine Orchidee im Dschungel!»
«Du
glaubst, du hättest schon Erfahrung genug?»
Otto
schießt einen Blick voll Lust und Grausen zum Eisernen Pferd hinüber. «Das weiß
ich nicht. Für ein kleines kartoniertes Bändchen aber sicher schon.»
«Sprich
dich aus! Es sind drei Millionen für dich angelegt. Wenn du sie nicht brauchst,
versaufen wir sie lieber.»
«Versaufen
wir sie lieber.»
Bambuss
schüttet wieder einen Kümmel in sich hinein. Es ist das erstemal, daß wir ihn
so sehen. Er hat Alkohol vorher wie die Pest gemieden, vor allem Schnaps. Seine
Lyrik gedieh bei Kaffee und Johannisbeerwein.
«Was
sagst du zu Otto?» frage ich Hungermann. «Es waren die Schläge auf den Kopf mit
der Blechschüssel.»
«Es
war gar nichts», erwidert Otto johlend. Er hat einen weiteren Doppelkümmel
hinter sich und kneift das Eisere Pferd, das gerade vorübergeht, in den
Hintern. Das Pferd bleibt wie vom Blitz getroffen stehen. Dann dreht es sich
langsam um und besichtigt Otto wie ein seltenes Insekt. Wir strecken unsere
Arme vor, um den Schlag abzuschwächen, den wir erwarten. Für Damen mit hohen
Stiefeln ist ein Kniff dieser Art eine obszöne Beleidigung. Otto steht torkelnd
auf, lächelt abwesend aus seinen kurzsichtigen Augen, geht um das Roß herum und
knallt ihr unversehens noch einen saftigen Schlag auf die schwarze Reizwäsche.
Es
wird still. Jeder erwartet Mord. Aber Otto setzt sich unbekümmert wieder hin,
legt den Kopf auf die Arme und schläft augenblicklich ein. «Töte nie einen
Schlafenden», beschwört Hungermann das Roß. «Das elfte Gebot Gottes!»
Das
Eiserne Pferd öffnet seinen mächtigen Mund zu einem lautlosen Grinsen. Alle
seine Goldplomben schimmern. Dann streicht es über Ottos dünnes, weiches Haar.
«Menschenkinder»,
sagt es, «noch einmal so jung und so dämlich sein können!»
Wir brechen auf.
Hungermann und Bambuss werden von Eduard zur Stadt zurückgefahren. Die Pappeln
rauschen. Die Doggen bellen. Das Eiserne Pferd steht im ersten Stock am Fenster
und winkt mit der Kosakenmütze. Hinter dem Puff steht bleich der Mond. Matthias
Grund, der Dichter des Buches vom Tode, arbeitet sich plötzlich vor uns aus
einem Graben hervor. Er hatte geglaubt, er könne ihn überqueren wie Christus
den See Genezareth. Es war ein Irrtum. Willy geht neben mir her. «Was für ein
Leben!» sagt er träumerisch. «Und zu denken, daß man tatsächlich sein Geld im
Schlafe verdient! Morgen ist der Dollar wieder weiter rauf, und die Aktien
klettern wie muntere Affen hinterher!»
«Verdirb
uns den Abend nicht. Wo ist dein Auto? Kriegt es auch Junge wie deine Aktien?»
«Renée
hat es. Macht sich gut vor der Roten Mühle. Zwischen den Vorstellungen fährt
sie Kollegen darin spazieren. Platzen vor Neid.»
«Heiratet
ihr?»
«Wir
sind verlobt», erklärt Willy. «Wenn du weißt, was das heißt.»
«Ich
kann es mir denken.»
«Komisch!»
sagt Willy. «Sie erinnert mich jetzt oft auch stark an unsern Oberleutnant
Helle, diesen verdammten Menschenschinder, der uns das
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