E.M. Remarque
ohne etwas davon zu
kennen, und deshalb gingen wir zu fünft in die Bahnstraße, die wir ja noch von
früher kannten. Es war großer Betrieb, und wir bekamen unseren Schnaps und
unser Bier. Nachdem wir uns genügend Mut angetrunken hatten, wollten wir unser
Heil versuchen. Willy, der frechste von uns, war der erste. Er hielt Fritzi,
die verführerischste von allen anwesenden Damen, an. «Schatz, wie wäre es
denn?»
«Klar»,
erwiderte Fritzi durch den Lärm und Rauch, ohne ihn richtig anzusehen. «Hast du
Geld?»
«Mehr
als genug.» Willi zeigte seine Löhnung und das Geld vor, das ihm seine Mutter
gegeben hatte, damit er dafür eine Messe für eine glückliche Rettung aus dem
Kriege lesen lassen sollte.
«Na,
also! Hoch das Vaterland!» sagte Fritzi ziemlich geistesabwesend und sah in die
Richtung des Bierausschanks. «Komm nach oben!»
Willy
stand auf und legte seine Mütze ab. Fritzi stutzte und starrte auf sein
brandrotes Haar. Es war von einzigartiger Leuchtkraft, und sie kannte es
natürlich, selbst nach sieben Jahren, sofort wieder. «Einen Augenblick», sagte
sie. «Heißen Sie nicht Willy?»
«Absolut!»
erklärte Willy strahlend.
«Und
hast du nicht einmal hier deine Schularbeiten gemacht?»
«Richtig!»
«So
– und du willst jetzt mit mir aufs Zimmer gehen?»
«Natürlich!
Wir kennen uns ja doch schon.»
Willy
grinste über das ganze Gesicht. Im nächsten Augenblick hatte er eine Ohrfeige
kleben. «Du Ferkel!» sagte Fritzi. «Du willst mit mir ins Bett? Das ist doch
das Letzte an Frechheit!»
«Wieso?»
stotterte Willy. «Alle andern hier ...»
«Alle
andern! Was gehen mich die andern an? Habe ich den anderen ihren Katechismus
abgehört? Habe ich ihnen den Aufsatz gemacht? Habe ich aufgepaßt, daß sie sich
nicht erkälten, du verfluchter Rotzbengel?»
«Aber
ich bin jetzt siebzehneinhalb ...»
«Halt
die Klappe! Das ist ja, als ob du Lümmel deine Mutter vergewaltigen wolltest!
Raus hier, du minderjähriger Flegel!»
«Er
geht morgen in den Krieg», sage ich. «Haben Sie kein patriotisches
Verständnis?» Sie faßte mich ins Auge.
«Bist
du nicht der, der die Kreuzottern hier losgelassen hat? Drei Tage mußten wir
das Etablissement schließen, bis wir die Biester gefunden hatten!»
«Ich
habe sie nicht losgelassen», verteidigte ich mich. «Sie sind mir entkommen.»
Bevor ich noch mehr sagen konnte, hatte ich ebenfalls eine Ohrfeige sitzen.
«Lausebengels! Raus mit euch!»
Der
Lärm brachte die Puffmutter herbei. Sie ließ sich von der empörten Fritzi die
Sache erklären. Sie erkannte Willy auch sofort wieder. «Der Rote!» keuchte sie.
Sie wog zweihundertvierzig Pfund und zitterte vor Lachen wie ein Berg von Gelee
im Erdbeben.
«Und
du! Heißt du nicht Ludwig?»
«Ja»,
sagte Willy. «Aber wir sind jetzt Soldaten und haben ein Recht auf
Geschlechtsverkehr.»
«So,
ihr habt ein Recht!» Die Puffmutter schüttelte sich erneut. «Weißt du noch,
Fritzi, wie er Angst hatte, daß sein Vater erfahren würde, er habe die
Stinkbomben in der Religionsstunde geworfen? Jetzt hat er ein Recht auf
Geschlechtsverkehr! Hohoho!»
Fritzi
sah den Humor der Sache nicht. Sie war ehrlich wütend und beleidigt. «Als wenn
mein eigener Sohn ...»
Die
Puffmutter mußte von zwei Mann aufrecht gehalten werden. Tränen strömten über
ihr Gesicht. Speichelblasen formten sich an ihren Mundwinkeln. Sie hielt sich
mit beiden Händen den schwabbelnden Bauch. «Limonade», würgte sie heraus.
«Waldmeisterlimonade! War das nicht» – Keuchen, Ersticken – «euer
Lieblingsgetränk?»
«Jetzt
trinken wir Schnaps und Bier», erwiderte ich. «Jeder wird mal erwachsen.»
«Erwachsen!»
Erneuter Erstickungsanfall der Puffmutter, Toben der beiden Doggen, die ihr
gehörten und
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