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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Vor­stel­lung
be­ob­ach­tet. «Mist­hau­fen mit Tres­sen», ki­chert Li­sa hei­ser. Ein Stuhl fällt um,
es rum­pelt, und die Tür zu Ge­orgs Me­di­ta­ti­ons­zim­mer schließt sich. Ich ha­be
ein­mal von Rie­sen­feld ei­ne Fla­sche hol­län­di­schen Ge­ne­ver ge­schenkt be­kom­men mit
der Wid­mung: Für sehr schwie­ri­ge Stun­den. Ich ho­le sie jetzt her­aus. Auf der
vier­e­cki­gen Fla­sche prangt das Eti­kett: Fries­scher Ge­ne­ver van P.  Bok­ma,
Leeu­war­den. Ich öff­ne sie und schen­ke mir ein großes Glas ein. Der Ge­ne­ver ist
stark und wür­zig und be­schimpft mich nicht.

XVIII
    Der Sarg­tisch­ler Wil­ke
sieht die Frau ver­wun­dert an.
    «Warum
neh­men Sie nicht zwei klei­ne?» fragt er. «Es kos­tet nicht so viel mehr.» Die
Frau schüt­telt den Kopf.
    «Sie
sol­len zu­sam­men­lie­gen.»
    «Aber
Sie kön­nen sie doch in ei­ner Grab­stel­le be­er­di­gen», sa­ge ich. «Dann sind sie
zu­sam­men.»
    «Nein,
nicht rich­tig.»
    Wil­ke
kratzt sich den Kopf. «Was mei­nen Sie da­zu?» fragt er mich.
    Die
Frau hat zwei Kin­der ver­lo­ren. Bei­de sind am glei­chen Tag ge­stor­ben. Sie will
für sie nun nicht nur einen ge­mein­sa­men Grab­stein ha­ben – sie will auch für
bei­de nur einen Sarg ha­ben, ei­ne Art Dop­pel­sarg. Des­halb ha­be ich Wil­ke ins
Bü­ro ge­holt.
    «Für
uns ist die Sa­che ein­fach», sa­ge ich. «Ein Grab­stein mit zwei In­schrif­ten kommt
al­le Ta­ge vor. Es gibt so­gar Fa­mi­li­en­grab­stei­ne mit sechs, acht In­schrif­ten.»
    Die
Frau nickt. «So soll es sein! Sie sol­len zu­sam­men­lie­gen. Sie wa­ren im­mer
zu­sam­men.»
    Wil­ke
holt einen Zim­mer­manns­blei­stift aus sei­ner Wes­ten­ta­sche. «Es wür­de merk­wür­dig
aus­se­hen. Der Sarg wür­de zu breit wer­den. Fast qua­dra­tisch; die Kin­der sind ja
noch sehr klein. Wie alt?»
    «Vier­ein­halb.»
    Wil­ke
zeich­net. «Wie ei­ne qua­dra­ti­sche Kis­te», er­klärt er dann. «Wol­len Sie nicht
doch ...»
    «Nein»,
un­ter­bricht die Frau. «Sie sol­len zu­sam­men­blei­ben. Es sind Zwil­lin­ge.»
    «Man
kann auch für Zwil­lin­ge sehr hüb­sche klei­ne Ein­zel­sär­ge ma­chen, weiß la­ckiert.
Die Form ist ge­fäl­li­ger. Ein so kur­z­er Dop­pel­sarg wirkt plump ...»
    «Das
ist mir egal», sagt die Frau stör­risch. «Sie ha­ben ei­ne Dop­pel­wie­ge ge­habt und
einen Dop­pel­kin­der­wa­gen, und jetzt sol­len sie auch einen Dop­pel­sarg ha­ben. Sie
sol­len bei­ein­an­der blei­ben.»
    Wil­ke
zeich­net wie­der. Es kommt nichts an­de­res her­aus als ei­ne qua­dra­ti­sche Kis­te,
selbst mit Ran­ken aus Efeu am De­ckel. Bei Er­wach­se­nen hät­te er noch mehr
Spiel­raum; aber Kin­der sind zu kurz. «Ich weiß nicht ein­mal, ob es er­laubt
ist», ver­sucht er als letz­tes.
    «Warum
soll es nicht er­laubt sein?»
    «Es
ist un­ge­wöhn­lich.»
    «Es
ist auch un­ge­wöhn­lich, daß zwei Kin­der am sel­ben Ta­ge ster­ben», sagt die Frau.
    «Das
ist wahr, be­son­ders, wenn es Zwil­lin­ge sind.» Wil­ke ist plötz­lich in­ter­es­siert.
«Ha­ben sie auch die­sel­be Krank­heit ge­habt?»
    «Ja»,
er­wi­dert die Frau hart. «Die­sel­be Krank­heit. Ge­bo­ren nach dem Krie­ge, als es
nichts zu es­sen gab. Zwil­lin­ge – ich hat­te nicht ein­mal Milch für einen ...»
    Wil­ke
beugt sich vor. «Die­sel­be Krank­heit!» In sei­nen Au­gen fla­ckert
wis­sen­schaft­li­che Neu­gier. «Man sagt ja, daß bei Zwil­lin­gen so et­was öf­ter
vor­kommt. Astro­lo­gisch ...»
    «Wie
ist es mit dem Sarg?» fra­ge ich. Die Frau sieht nicht so aus, als ob sie ein
län­ge­res Ge­spräch über die­ses Wil­ke fas­zi­nie­ren­de The­ma füh­ren möch­te.
    «Ich
kann es ver­su­chen», sagt Wil­ke. «Aber ich weiß nicht, ob es er­laubt ist. Wis­sen
Sie es?» fragt er mich.
    «Man
kann beim Fried­hof­samt an­fra­gen.»
    «Wie
ist es mit den Pries­tern? Wie sind die Kin­der ge­tauft wor­den?»
    Die
Frau zö­gert. «Ei­ner ist ka­tho­lisch und ei­ner evan­ge­lisch», sagt sie dann. «Wir
hat­ten das so ab­ge­macht. Mein Mann ist ka­tho­lisch; ich bin evan­ge­lisch. Da
ha­ben wir ab­ge­macht, daß die Zwil­lin­ge ge­teilt wür­den.»
    «Al­so
ha­ben Sie einen ka­tho­lisch und den an­de­ren evan­ge­lisch tau­fen las­sen?»

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