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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Rie­sen­feld wie ein würt­tem­ber­gi­scher In­dia­ner
zum Fens­ter schleicht, sein Glas in ei­ner, die Fla­sche Korn in der an­dern Hand.
    Li­sa
kämmt ih­re Haa­re. «Ich woll­te mal Bild­hau­er wer­den», sagt Rie­sen­feld, oh­ne
einen Blick von ihr zu las­sen. «Bei so was hät­te es sich ge­lohnt! Ver­flucht,
was man al­les ver­säumt hat!»
    «Woll­ten
Sie Bild­hau­er in Gra­nit wer­den?»
    «Was
hat das da­mit zu tun?»
    «Bei
Gra­nit wer­den die Mo­del­le schnel­ler äl­ter, als die Kunst­wer­ke fer­tig», sa­ge
ich. «Er ist so hart. Bei Ih­rem Tem­pe­ra­ment hät­ten Sie höchs­tens in Ton
ar­bei­ten kön­nen. Sonst hät­ten Sie nur un­voll­en­de­te Wer­ke hin­ter­las­sen.»
    Rie­sen­feld
stöhnt. Li­sa hat den Rock aus­ge­zo­gen, aber gleich dar­auf das Licht aus­ge­dreht,
um in ein an­de­res Zim­mer zu ge­hen. Der Chef der Oden­wald-Wer­ke klebt noch ei­ne
Wei­le am Fens­ter, dann dreht er sich um. «Sie ha­ben es leicht!» knurrt er.
«Ih­nen sitzt kein Dä­mon im Nacken. Höchs­tens ein Milch­schaf.»
    «Mer­ci»,
sa­ge ich. «Bei Ih­nen ist es auch kein Dä­mon, son­dern ein Bock. Sonst noch was?»
    «Ein
Brief», er­klärt Rie­sen­feld. «Wol­len Sie einen Brief von mir über­brin­gen?»
    «Wem?»
    «Frau
Wat­zek! Wem sonst?» – Ich schwei­ge.
    «Ich
wer­de mich auch nach ei­ner Po­si­ti­on für Sie um­se­hen», sagt Rie­sen­feld.
    Ich
schwei­ge wei­ter und se­he den leicht schwit­zen­den ver­hin­der­ten Bild­hau­er an. Ich
hal­te Ge­org die Ni­be­lun­gen­treue, auch wenn es mich mei­ne Zu­kunft kos­tet.
    «Ich
hät­te das oh­ne­hin ge­tan», er­klärt Rie­sen­feld heuch­le­risch.
    «Das
weiß ich», sa­ge ich. «Aber wo­zu wol­len Sie schrei­ben? Schrei­ben hilft nie.
Au­ßer­dem fah­ren Sie doch heu­te abend weg. Ver­schie­ben Sie die Sa­che, bis Sie
zu­rück­kom­men.»
    Rie­sen­feld
trinkt sei­nen Korn aus. «Es mag Ih­nen ko­misch vor­kom­men – aber Sa­chen sol­cher
Art ver­schiebt man höchst un­gern.»
    In
die­sem Au­gen­blick tritt Li­sa aus ih­rer Haus­tür. Sie trägt ein eng­an­lie­gen­des
schwar­zes Ko­stüm und Schu­he mit den höchs­ten Ab­sät­zen, die ich je ge­se­hen ha­be.
Rie­sen­feld er­späht sie zur glei­chen Zeit wie ich. Er reißt sei­nen Hut vom Tisch
und stürmt hin­aus. «Dies ist der Au­gen­blick!»
    Ich
se­he ihn die Stra­ße hin­un­ter­schie­ßen. Den Hut in der Hand, wan­dert er
re­spekt­voll ne­ben Li­sa her, die sich zwei­mal um­sieht. Dann ver­schwin­den bei­de
um die Ecke. Ich wun­de­re mich, wie das aus­ge­hen wird. Ge­org Kroll wird es mir
si­cher be­rich­ten. Mög­lich, daß der Glückspilz da­bei noch ein zwei­tes Denk­mal in
schwe­di­schem Gra­nit her­aus­holt.
    Drau­ßen
kommt der Tisch­ler Wil­ke über den Hof. «Wie wä­re es mit ei­ner Sit­zung heu­te
abend?» ruft er durchs Fens­ter.
    Ich
ni­cke. Ich ha­be schon er­war­tet, daß er das vor­schla­gen wür­de. «Kommt Bach
auch?» fra­ge ich.
    «Klar.
Ich ho­le ge­ra­de Zi­ga­ret­ten für ihn.»
    Wir sit­zen in der
Werk­statt Wil­kes zwi­schen Ho­bel­spä­nen, Sär­gen, Blu­men­töp­fen mit Ge­ra­ni­en und
Leim­töp­fen. Es riecht nach Harz und frisch­ge­schnit­te­nem Tan­nen­holz. Wil­ke
ho­belt den De­ckel des Zwil­lings­sar­ges zu­recht. Er hat sich ent­schlos­sen, ei­ne
Blu­men­gir­lan­de um­sonst drein­zu­ge­ben, so­gar ver­gol­det, mit Blatt­gol­der­satz. Wenn
er in­ter­es­siert ist, ist der Ver­dienst ihm gleich­gül­tig. Und hier ist er
in­ter­es­siert.
    Kurt
Bach sitzt auf ei­nem schwarz­la­ckier­ten Sarg mit falschen Bron­ze­be­schlä­gen; ich
auf ei­nem Pracht­stück aus Na­tu­rei­che, matt ge­beizt. Wir ha­ben Bier, Wurst,
Brot, Kä­se und sind ent­schlos­sen, mit Wil­ke die Geis­ter­stun­de zu über­ste­hen.
Der Sarg­tisch­ler wird näm­lich ge­wöhn­lich zwi­schen zwölf und ein Uhr nachts
me­lan­cho­lisch, schläf­rig und ängst­lich. Es ist sei­ne schwa­che Stun­de. Man
soll­te es nicht glau­ben, aber er fürch­tet sich dann vor Ge­spens­tern, und der
Ka­na­ri­en­vo­gel, den er in ei­nem Pa­pa­gei­en­kä­fig über sei­ner Ho­bel­bank hän­gen hat,
ist um die­se Zeit nicht ge­nug Ge­sell­schaft für ihn. Er ist dann ver­zagt,
spricht von

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