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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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der Hof­tür ste­hen und über­blickt als al­ter Sol­dat zu­erst ein­mal
das Ge­län­de. Al­les ist still. Vor­sich­tig nä­hert er sich dem Obe­lis­ken. Ich ha­be
nicht er­war­tet, daß der Feld­we­bel a. D. sei­ne Ge­wohn­heit schon nach ei­nem
ein­zi­gen Schreck­schuß auf­ge­ben wür­de. Er steht jetzt in Be­reit­schafts­stel­lung
vor dem Grab­stein und war­tet wie­der. Vor­sich­tig geht Knopf noch ein­mal um­her.
Dar­auf macht der ge­wieg­te Tak­ti­ker ein Schein­ma­nö­ver; die Hän­de ge­hen her­un­ter,
aber es ist Bluff, er horcht nur. Dann, als wie­der al­les still bleibt, stellt
er sich ge­nie­ße­risch hin, ein Lä­cheln des Tri­um­phes um sei­nen
Nietz­sche­schnurr­bart, und läßt sich ge­hen.
    «Knopf!»
heu­le ich ge­dämpft durch die Dach­röh­re. «Du Schwein, bist du wie­der da? Ha­be
ich dich nicht ge­warnt?»
    Der
Wech­sel in Knopfs Ge­sicht ist nicht schlecht. Ich ha­be im­mer dem Aus­druck
miß­traut, daß je­mand vor Ent­set­zen die Au­gen auf­rei­ße; ich dach­te, man knif­fe
sie eher zu, um schär­fer zu se­hen; aber Knopf reißt sie tat­säch­lich auf wie ein
er­schreck­tes Pferd bei ei­nem schwe­ren Gra­na­tein­schlag. Er rollt sie so­gar.
    «Du
bist nicht wür­dig, ein Feld­we­bel der Pio­nie­re a. D. zu sein», er­kla­re ich hohl.
«Hier­mit de­gra­die­re ich dich! Ich de­gra­die­re dich zum Sol­da­ten zwei­ter Klas­se,
du Pis­ser! Tritt ab!»
    Ein
hei­se­res Bel­len ent­ringt sich Knopfs Keh­le. «Nein! Nein!» krächzt er und sucht
die Stel­le zu er­ken­nen, von wo Gott spricht. Es ist die Ecke zwi­schen dem Tor
und sei­ner Haus­wand. Kein Fens­ter, ist dort, kei­ne Öff­nung, er be­greift nicht,
wo­her die Stim­me kommt.
    «Aus
ist es mit dem lan­gen Sä­bel, der Schirm­müt­ze und den Lit­zen!» flüs­te­re ich.
«Aus mit der Ex­tra­uni­form! Von jetzt an bist du Pio­nier zwei­ter Klas­se, Knopf,
du Sau­be­sen!»
    «Nein!»
heult Knopf, ins Kern­ge­häu­se ge­trof­fen. Eher kann man ei­nem ech­ten Teu­to­nen
einen Fin­ger ab­schnei­den, als ihm sei­nen Ti­tel neh­men. «Nein! Nein!» flüs­tert
er und hebt die Pfo­ten ins Mond­licht.
    «Zieh
dich an­stän­dig an», kom­man­die­re ich und den­ke plötz­lich an all das, was
Isa­bel­le mir zu­ge­ru­fen hat, und füh­le einen Stich im Ma­gen, und das heu­len­de
Elend stürzt wie Ha­gel auf mich los.
    Knopf
hat ge­horcht. «Nur nicht das!» krächzt er noch ein­mal, den Kopf weit
zu­rück­ge­legt zu den mond­be­schie­ne­nen Schä­fer­wol­ken hin­auf. «Nicht das, Herr!»
    Ich
se­he ihn da­ste­hen wie das Mit­tel­stück der Lao­koon­grup­pe, rin­gend mit den
un­sicht­ba­ren Schlan­gen der Ehr­lo­sig­keit und der De­gra­die­rung. Er steht so
ähn­lich da wie ich vor ei­ner Stun­de, fällt mir ein, wäh­rend mein Ma­gen wie­der
zu sie­den be­ginnt. Un­er­war­te­tes Mit­leid er­faßt mich; für Knopf und für mich.
Ich wer­de mensch­li­cher. «Al­so gut», flüs­te­re ich. «Du ver­dienst es nicht, aber
ich will dir noch ei­ne Chan­ce ge­ben. Du wirst nur zum Ge­frei­ten de­gra­diert, und
auch das auf Pro­be. Wenn du bis En­de Sep­tem­ber pißt wie ein zi­vi­li­sier­ter
Mensch, wirst du zum Un­ter­of­fi­zier zu­rück­be­för­dert; bis En­de Ok­to­ber zum
Ser­gean­ten; En­de No­vem­ber zum Vi­ze­feld­we­bel; zu Weih­nach­ten dann wie­der zum
etats­mä­ßi­gen Kom­pa­nie­feld­we­bel a. D., ver­stan­den?»
    «Ja­wohl,
Herr – Herr ...» Knopf sucht nach der rich­ti­gen An­re­de. Ich fürch­te, daß er
zwi­schen Ma­je­stät und Gott schwankt, und un­ter­bre­che ihn recht­zei­tig. «Das ist
mein letz­tes Wort, Ge­frei­ter Knopf! Und glau­be nicht, du Schwein, daß du nach
Weih­nach­ten wie­der an­fan­gen kannst! Dann ist es kalt, und du kannst dei­ne
Spu­ren nicht ver­wi­schen. Sie frie­ren fest. Stell dich nur noch ein­mal an den
Obe­lis­ken, und du wirst einen elek­tri­schen Schlag und ei­ne Pro­sta­ta-Ent­zün­dung
be­kom­men, daß du krum­me Bei­ne vor Schmerz kriegst. Und nun fort mit dir, du Mist­hau­fen
mit Tres­sen!»
    Knopf
ver­schwin­det mit un­ge­wöhn­li­cher Schnel­le im Dun­kel sei­ner Hau­stür­höh­le. Ich
hö­re lei­ses Ge­läch­ter aus dem Bü­ro. Li­sa und Ge­org ha­ben die

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