E.M. Remarque
Wege zu Gott», antworte ich kampfmüde. «Es kommt
nur darauf an, was er darunter versteht.»
«Bravo»,
sagt Bodendiek. «Wernicke sucht Sie übrigens. Warum kämpfen Sie eigentlich so
verbissen um so etwas Einfaches wie den Glauben?»
«Weil
im Himmel mehr Freude ist über einen kämpfenden Zweifler als über
neunundneunzig Vikare, die von Kindheit an Hosianna singen», erwidere ich.
Bodendiek
schmunzelt. Ich will nicht mit ihm streiten; ich erinnere mich an seine
Leistung im Gebüsch der Marienkirche. «Wann sehe ich Sie im Beichtstuhl?» fragt
er.
«So
wie die zwei Sünder von der Marienkirche?»
Er
stutzt. «So, Sie wissen das? Nein, nicht so. Sie kommen freiwillig! Warten Sie
nicht zu lange!»
Ich
erwidere nichts darauf, und wir verabschieden uns herzlich. Auf dem Wege zu
Wernickes Zimmer flattern die Blätter der Bäume wie Fledermäuse durch die Luft.
Es riecht überall nach Erde und Herbst. Wo ist der Sommer geblieben? denke ich.
Er war doch kaum da!
Wernicke
packt einen Haufen Papiere beiseite. «Haben Sie Fräulein Terhoven gesehen?»
fragt er.
«In
der Kirche. Sonst nicht.»
Er
nickt. «Kümmern Sie sich vorläufig nicht um sie.»
«Schön»,
sage ich. «Weitere Befehle?»
«Seien
Sie nicht albern! Es sind keine Befehle. Ich tue, was ich für meine Kranken für
richtig halte.» Er sieht mich genauer an. «Sie sind doch nicht etwa verliebt?»
«Verliebt?
In wen?»
«In
Fräulein Terhoven. In wen sonst? Eine hübsche Krabbe ist sie ja. Verdammt,
daran habe ich bei der ganzen Sache überhaupt nicht gedacht.»
«Ich
auch nicht. Bei was für einer Sache?»
«Dann
ist es ja gut.» Er lacht. «Außerdem hätte es Ihnen gar nichts geschadet.»
«So?»
erwidere ich. «Ich dachte bisher, nur Bodendiek wäre hier der Stellvertreter
Gottes. Jetzt haben wir auch noch Sie. Sie wissen genau, was schadet und was
nicht, wie?»
Wernicke
schweigt einen Augenblick. «Also doch», sagt er dann. «Na, wenn schon! Schade,
daß ich nicht mal zuhören konnte! Gerade bei Ihnen! Müssen schöne
Mondkalbdialoge gewesen sein! Nehmen Sie eine Zigarre. Haben Sie gemerkt, daß
es Herbst ist?»
«Ja»,
sage ich. «Darin kann ich Ihnen beistimmen.»
Wernicke
hält mir die Kiste mit den Zigarren hin. Ich nehme eine, um nicht zu hören,
daß, wenn ich sie zurückweise, das ein weiteres Zeichen von Verliebtheit sei.
Mir ist plötzlich so elend, daß ich kotzen möchte. Trotzdem zünde ich die
Zigarre an.
«Ich
bin Ihnen wohl eine Erklärung schuldig», sagt Wernicke. «Die Mutter! Ich habe
sie wieder zwei Abende hier gehabt. Sie ist endlich niedergebrochen. Mann früh
gestorben; Mutter hübsch, jung; Hausfreund, in den die Tochter offenbar auch
stark verschossen war; Mutter und Hausfreund unvorsichtig, Tochter
eifersüchtig, überrascht sie in einer sehr intimen Situation, hatte sie
vielleicht schon länger beobachtet – verstehen Sie?»
«Nein»,
sage ich. Mir ist das alles ebenso widerlich wie Wernickes stinkende Zigarre.
«Also
soweit sind wir», fährt Wernicke mit Gusto fort. «Haß der Tochter, Ekel,
Komplex, Rettung in Spaltung der Persönlichkeit, speziell den Typ, der alle
Realität flieht und ein Traumleben führt. Mutter hat den Hausfreund später noch
geheiratet, das brachte es dann ganz zur Krise – verstehen Sie jetzt?»
«Nein.»
«Aber
es ist doch so einfach», sagt Wernicke ungeduldig. «Schwer war nur, an den Kern
heranzukommen, aber jetzt ...» er reibt sich die Hände. «Dazu haben wir nun noch
das Glück, daß der zweite Mann, der vorherige Hausfreund, Ralph oder Rudolph
oder so ähnlich hieß er, jetzt nicht mehr blockierend da ist. Geschieden vor
drei Monaten, vor zwei Wochen Autounfall, tot – die Ursache ist also beseitigt,
der Weg ist frei – jetzt müssen Sie doch endlich kapieren?»
«Ja»,
sage ich
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