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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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nach
ei­nem Ver­gleich. «Sind Sie Kä­fer­samm­ler?»
    «Nein»,
er­wi­dern Ge­org und ich uni­so­no.
    «Scha­de»,
sagt Os­kar. «Al­so wie ein Rie­sen­hirsch­kä­fer, Lu­ca­nus Cer­vus, oder, wenn Sie
Schmet­ter­lings­samm­ler sind, wie ein To­ten­kopf­schwär­mer. Wie soll­te es sonst
Krie­ge ge­ben? Schon mein Oberst war vom Schlag ge­trof­fen wor­den. Aber die­ser
Oberst ...»
    Trä­nen-Os­kar
grinst plötz­lich. Es ist ein son­der­ba­rer Ef­fekt; er hat vom vie­len Wei­nen so
vie­le Fal­ten im Ge­sicht wie ein Blut­hund und auch ge­wöhn­lich den­sel­ben
trüb-fei­er­li­chen Aus­druck. «Al­so der drit­te Kom­man­dant muß­te na­tür­lich einen
Stabs­of­fi­zier ha­ben. Er bot mir da­für al­les an, was ich woll­te, aber ich war
kom­plett; ich hat­te so­gar mei­nen etats­mä­ßi­gen Spieß, dem ich ein schö­nes
Eck­grab an auf­fal­len­der Stel­le ge­ge­ben hat­te. Schließ­lich gab ich nach – für
sechs­und­drei­ßig Fla­schen bes­ten Wod­ka. Al­ler­dings gab ich da­für mei­nen
Obers­ten, nicht mei­nen Oberst­leut­nant. Sechs­und­drei­ßig Fla­schen! Da­her, mei­ne
Her­ren, heu­te noch mei­ne Vor­lie­be für Wod­ka. Man kriegt ihn hier na­tür­lich
nir­gend­wo.»
    Os­kar
läßt sich her­bei, als Er­satz noch einen Korn zu neh­men.
    «Wo­zu
ha­ben Sie sich mit den Lei­chen so­viel Ar­beit ge­macht?» fragt Ge­org. «Sie muß­ten
sie doch al­le um­bet­ten. Warum ha­ben Sie nicht ein­fach ein paar Kreu­ze mit
fin­gier­ten Na­men und Char­gen auf­ge­stellt, und da­mit fer­tig? Sie hät­ten dann
so­gar einen Ge­ne­ral­leut­nant ha­ben kön­nen.»
    Os­kar
ist scho­ckiert. «Aber Herr Kroll!» sagt er mil­de vor­wurfs­voll. «Das wä­re doch
ei­ne Fäl­schung ge­we­sen. Viel­leicht so­gar Lei­chen­schän­dung ...»
    «Lei­chen­schän­dung
nur dann, wenn Sie einen to­ten Ma­jor für einen nied­ri­ge­ren Rang aus­ge­ge­ben
hät­ten», sa­ge ich. «Nicht aber bei ei­nem Mus­ke­tier, den Sie für einen Tag zum
Ge­ne­ral ge­macht hät­ten.»
    «Sie
hät­ten die fin­gier­ten Kreu­ze auf lee­ren Grä­bern auf­stel­len kön­nen», fügt Ge­org
hin­zu. «Dann wä­re es kei­ne Lei­chen­schän­dung ge­we­sen.»
    «Es
wä­re Fäl­schung ge­blie­ben. Und es hät­te raus­kom­men kön­nen», er­wi­dert Os­kar.
«Schon durch die To­ten­grä­ber. Und was dann? Au­ßer­dem – ein falscher Ge­ne­ral?»
Er schüt­telt sich in­ner­lich. «Sei­ne Ma­je­stät kann­ten doch be­stimmt ih­re
Ge­nerä­le.»
    Wir
las­sen das auf sich be­ru­hen. Os­kar auch. «Wis­sen Sie, was das Ko­mi­sche bei der
Sa­che war?» Wir schwei­gen. Die Fra­ge kann nur rhe­to­risch ge­meint sein und
er­for­dert kei­ne Ant­wort.
    «Einen
Tag vor der Be­sich­ti­gung wur­de al­les ab­ge­sagt. Sei­ne Ma­je­stät ka­men über­haupt
nicht. Ein Meer von Pri­meln und Nar­zis­sen hat­ten wir ge­pflanzt.»
    «Ha­ben
Sie die Aus­tauschto­ten dann zu­rück­ge­ge­ben?» fragt Ge­org.
    «Das
hät­te zu­viel Ar­beit ge­macht. Die Pa­pie­re wa­ren auch schon ge­än­dert. Und die
An­ge­hö­ri­gen wa­ren in­for­miert wor­den, daß ih­re To­ten ver­legt wor­den sei­en. Das
kam ja öf­ter vor. Fried­hö­fe ge­rie­ten in die Kampf­zo­ne, und nach­her muß­te al­les
neu an­ge­legt wer­den. Wü­tend war nur der Kom­man­dant mit dem Wod­ka. Er ver­such­te
so­gar, bei mir mit sei­nem Fah­rer ein­zu­bre­chen, um die Kis­ten zu­rück­zu­ho­len;
aber ich hat­te sie längst glän­zend ver­steckt. In ei­nem lee­ren Grab.» Os­kar
gähnt. «Ja, das wa­ren Zei­ten, da­mals! Ein paar tau­send Grä­ber hat­te ich un­ter
mir. Heu­te» – er zieht einen Zet­tel aus der Ta­sche – «zwei mitt­le­re Hü­gel­stei­ne
mit Mar­mor­plat­ten, Herr Kroll, das ist lei­der al­les.»
    Ich ge­he durch den
ein­dun­keln­den Gar­ten der An­stalt. Isa­bel­le ist heu­te zum ers­ten Ma­le seit
lan­gem wie­der in der An­dacht ge­we­sen. Ich su­che sie, kann sie aber nicht
fin­den. Statt des­sen be­geg­ne ich Bo­den­diek, der nach Weih­rauch und Zi­gar­ren
riecht.
    «Was
sind Sie au­gen­blick­lich?» fragt er. «Athe­ist, Bud­dhist, Zweif­ler oder schon auf
dem We­ge zu Gott zu­rück?»
    «Je­der
be­fin­det sich im­mer auf dem

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