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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Wer­ni­cke sagt, daß er dich ret­ten muß
da­vor, daß es schlim­mer wird, vor den na­men­lo­sen Ängs­ten, die noch ge­kom­men
wä­ren, stär­ker als die, die er selbst be­schwo­ren hat, und schließ­lich vor dem
krö­ten­haf­ten Da­hin­däm­mern in Stumpf­sinn? Aber ist er si­cher, daß er das kann?
Ist er si­cher, daß er nicht ge­ra­de mit sei­nen Ret­tungs­ver­su­chen dich zer­bricht
oder dich ra­scher da­hin stößt, wo­vor er dich ret­ten will? Wer weiß das? Was
weiß die­ser Wis­sen­schaft­ler, die­ser Schmet­ter­lings­samm­ler schon vom Flie­gen,
vom Wind, von den Ge­fah­ren und dem Ent­zücken der Ta­ge und Näch­te oh­ne Raum und
Zeit? Kennt er die Zu­kunft? Hat er den Mond ge­trun­ken? Weiß er, daß Pflan­zen
schrei­en? Er lacht dar­über. Für ihn ist das al­les nur ei­ne Aus­weich­re­ak­ti­on auf
ein bru­ta­les Er­leb­nis. Aber ist er ein Pro­phet, der vor­aus­sieht, was ge­sche­hen
wird? Ist er Gott, daß er weiß, was ge­sche­hen muß? Was hat er schon von mir
ge­wußt? Daß es ganz gut wä­re, wenn ich et­was ver­liebt ge­we­sen wä­re? Aber was
weiß ich selbst da­von? Es ist auf­ge­bro­chen und strömt und hat kein En­de, was
ha­be ich da­von ge­ahnt? Wie kann man so hin­ge­ge­ben sein an je­mand? Ha­be ich es
nicht selbst im­mer wie­der fort­ge­wie­sen in den Wo­chen, die nun wie ein
un­er­reich­ba­rer Son­nen­un­ter­gang fern am Ho­ri­zont lie­gen? Aber was kla­ge ich?
Worum ha­be ich Angst? Kann nicht al­les gut wer­den und Isa­bel­le ge­sund und –
    Da
sto­cke ich. Was dann? Wird sie nicht fort­ge­hen? Und ist dann nicht plötz­lich
ei­ne Mut­ter mit ei­ner Pelz­sto­la da, mit dis­kre­tem Par­füm, mit Ver­wand­ten im
Hin­ter­grund und An­sprü­chen für ih­re Toch­ter? Ist sie dann nicht ver­lo­ren für
mich, der nicht ein­mal ge­nug Geld zu­sam­men­brin­gen kann, um sich einen An­zug zu
kau­fen? Und bin ich viel­leicht nur des­halb so ver­wirrt? Aus stump­fem Ego­is­mus,
und al­les an­de­re ist nur De­ko­ra­ti­on?
    Ich
tre­te in ei­ne Kcl­ler­knei­pe. Ein paar Chauf­feu­re sit­zen da, ein wel­li­ger Spie­gel
wirft mir vom Bü­fett her mein ver­zo­ge­nes Ge­sicht zu­rück, und vor mir, in ei­nem
Glas­kas­ten, liegt ein hal­b­es Dut­zend ver­trock­ne­ter Bröt­chen mit Sar­di­nen, die
vor Al­ter die Schwän­ze hoch­krüm­men. Ich trin­ke einen Korn und ha­be das Ge­fühl,
daß mein Ma­gen ein tie­fes, rei­ßen­des Loch hat. Ich es­se die Bröt­chen mit den
Sar­di­nen und noch ei­ni­ge an­de­re mit al­tem, hoch­ge­wölb­tem Schwei­zer Kä­se; sie
schme­cken scheuß­lich, aber ich stop­fe sie in mich hin­ein und es­se Würst­chen
hin­ter­her, die so rot sind, daß sie fast wie­hern, und ich wer­de im­mer
un­glück­li­cher und hung­ri­ger und könn­te das Bü­fett an­fres­sen.
    «Mensch,
Sie ha­ben aber einen schö­nen Ap­pe­tit», sag­te der Wirt.
    «Ja»,
sa­ge ich. «Ha­ben Sie noch ir­gend et­was?»
    «Erb­sen­sup­pe.
Di­cke Erb­sen­sup­pe, wenn Sie da noch Brot rein­bro­cken ...»
    «Gut,
ge­ben Sie mir die Erb­sen­sup­pe.»
    Ich
schlin­ge die Erb­sen­sup­pe hin­un­ter, und der Wirt bringt mir frei­wil­lig, als
Zu­ga­be, noch einen Kan­ten Brot mit Schwei­ne­schmalz. Ich ver­put­ze ihn auch und
bin hung­ri­ger und un­glück­li­cher als vor­her. Die Chauf­feu­re fan­gen an, sich für
mich zu in­ter­es­sie­ren. «Ich kann­te mal je­mand, der konn­te drei­ßig har­te Ei­er
auf einen Sitz es­sen», sagt ei­ner.
    «Das
ist aus­ge­schlos­sen. Da stirbt er; das ist wis­sen­schaft­lich nach­ge­wie­sen.»
    Ich
star­re den Wis­sen­schaft­ler bö­se an. «Ha­ben Sie es ge­se­hen?» fra­ge ich.
    «Es
ist si­cher», er­wi­dert er.
    «Es
ist gar nicht si­cher. Wis­sen­schaft­lich nach­ge­wie­sen ist nur, daß Chauf­feu­re
früh ster­ben.»
    «Wie­so
denn das?»
    «We­gen
der Ben­zin­dämp­fe. Lang­sa­me Ver­gif­tung.»
    Der
Wirt er­scheint mit ei­ner Art ita­lie­ni­schem Sa­lat. Er hat sei­ne Schläf­rig­keit
ge­gen ein sport­li­ches In­ter­es­se ein­ge­tauscht. Wo­her er den Sa­lat mit der
Ma­yon­nai­se hat, ist ein Rät­sel. Der Sa­lat ist so­gar frisch. Viel­leicht hat er
ihn von sei­nem ei­ge­nen Abendes­sen ge­op­fert. Ich ver­til­ge

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