E.M. Remarque
«Sie waren ja der mit den Molchen und Fischen!»
Wir
gehen hinaus. Im Vorbeigehen sehe ich auf dem Schrank die Kosakenmütze liegen.
«Wo sind denn ihre hohen Stiefel?» frage ich.
«Die
hat Fritzi jetzt. Fritzi hat keine Lust zu was anderm mehr. Prügeln strengt
weniger an. Und es bringt mehr ein. Außerdem müssen wir ja eine Nachfolgerin
haben. Wir haben einen kleinen Kundenkreis für eine strenge Masseuse.»
«Wie
ist das mit dem Pferd eigentlich passiert?»
«Im
Dienst. Sie hatte immer noch zu viel Interesse an der Sache, das war der
eigentliche Grund. Wir haben einen einäugigen holländischen Kaufmann, einen
sehr feinen Herrn, er sieht gar nicht so aus, aber der Mann will nichts als
Prügel und kommt jeden Sonnabend. Kräht, wenn er genug hat, wie der beste Hahn,
sehr drollig. Verheiratet, drei süße Kinder, kann natürlich von der eigenen
Frau nicht verlangen, daß sie ihn durchhaut – ein Dauerkunde also, dazu die
Devisen, er zahlte in Gulden – wir haben den Mann fast angebetet, mit der hohen
Valuta. Na, da ist es denn gestern passiert. Malwine hat sich zu sehr aufgeregt
– und plötzlich fällt sie um, die Peitsche in der Hand.»
«Malwine?»
«Das
ist ihr Vorname. Wußten Sie nicht, wie? Der Herr natürlich, so was an
Schrecken! Der kommt nicht wieder», sagt die Puffmutter wehmütig. «So ein
Kunde! Reiner Zucker! Von den Devisen haben wir immer das Fleisch und den
Kuchen für ’n ganzen Monat kaufen können. Übrigens, wie ist das denn jetzt?»
Sie wendet sich mir zu. «Das ist dann ja nun gar nicht mehr so viel wert, was?»
«Ein
Gulden ungefähr soviel wie zwei Mark.»
«Ist
das möglich! Und früher waren es Billionen! Na, dann ist es mit dem Kunden
nicht so schlimm, wenn er wegbleibt. Wollen Sie nicht noch irgendeine
Kleinigkeit mitnehmen als Andenken an das Pferd?»
Ich
denke einen Augenblick an das Glas mit dem Schneegestöber. Aber man soll keine
Andenken mitnehmen. Ich schüttle den Kopf.
«Dann
wollen wir unten eine Tasse guten Kaffee trinken und das Denkmal aussuchen.»
Ich
habe auf einen kleinen Hügelstein gerechnet; aber es stellt sich heraus, daß
das Eiserne Pferd durch den holländischen Kaufmann Devisen hat sparen können.
Es hat die Guldenscheine in eine Kassette getan und nicht eingewechselt. Jetzt
sind sie da, und es ist eine stattliche Summe. Der Kaufmann war seit Jahren ein
treuer Kunde.
«Malwine
hat keine Verwandten», sagt die Madame.
«Dann
natürlich», erwidere ich, «können wir in die große Klasse der Grabdenkmäler
einsteigen. In den Marmor und den Granit.»
«Marmor
ist nichts für das Roß», sagt Fritzi. «Das ist doch mehr für Kinder, was?»
«Längst
nicht immer! Wir haben schon Generäle unter Marmorsäulen zur Ruhe gebracht.»
«Granit!»
sagt die Puffmutter. «Granit ist besser. Paßt besser zu ihrer eisernen Natur.»
Wir
sitzen im großen Zimmer. Der Kaffee dampft, es gibt selbstgebackenen Kuchen mit
Schlagsahne und eine Flasche Curacao. Ich fühle mich fast in die alten Zeiten
versetzt. Die Damen schauen mir über die Schultern in den Katalog, wie einst in
die Schulbücher.
«Hier
ist das beste, was wir haben», sage ich. «Schwarzer schwedischer Granit, ein
Kreuzdenkmal mit zwei Sockeln. Es gibt davon nicht mehr als vielleicht zwei
oder drei in der ganzen Stadt.»
Die
Damen betrachten die Zeichnung. Es ist eine meiner letzten. Ich habe den Major
Wolkenstein für die Inschrift verwendet – als 1915 an der Spitze seiner Truppe
gefallen –, was mindestens für den ermordeten Tischler in Wüstringen besser
gewesen wäre. «War das Pferd katholisch?» fragt Fritzi.
«Ein
Kreuz ist nicht nur für Katholiken», erwidere ich.
Die
Puffmutter kratzt sich den Kopf. «Ich weiß nicht, ob ihr so was Religiöses
recht gewesen wäre. Gibt’s nicht was anderes? So eine Art
Weitere Kostenlose Bücher