E.M. Remarque
geschwätzigen
Wichtigtuer des Zehntel-Talents, das jede Jugend hat und dessen Verglimmen sie
großsprecherisch und neidisch besingen, anstatt ihm schweigend zuzuschauen und
einen Funken davon in ihr Dasein hinüberzuretten?
«Kameraden»,
sage ich. «Ich trete hiermit aus eurem Klub aus.»
Alle
Gesichter wenden sich mir zu. «Ausgeschlossen! Du bleibst korrespondierendes
Mitglied des Klubs in Berlin», erklärt Hungermann.
«Ich
trete aus», sage ich.
Einen
Augenblick schweigen die Poeten. Sie sehen mich an. Irre ich mich, oder sehe
ich in einigen Augen etwas wie Angst vor einer Entdeckung? «Du meinst das
wirklich?» fragt Hungermann.
«Ich
meine es wirklich.»
«Gut.
Wir nehmen deinen Austritt an und ernennen dich hiermit zum Ehrenmitglied des
Klubs.»
Hungermann
blickt sich um. Er erhält rauschenden Beifall. Die Gesichter entspannen sich.
«Einstimmig angenommen!» sagt der Dichter des Casanova.
«Ich
danke euch», erwidere ich. «Es ist ein stolzer Moment. Aber ich kann das nicht
annehmen. Es wäre so, wie sich in seine eigene Statue zu verwandeln. Ich will
nicht als Ehrenmitglied von irgend etwas in die Welt gehen, nicht einmal als
das von unserem Etablissement in der Bahnstraße.»
«Das
ist kein schöner Vergleich», erklärt Sommerfeld, der Poet des Todes.
«Es
sei ihm gestattet», erwidert Hungermann. «Als was willst du dann in die Welt
gehen?»
Ich
lache. «Als kleiner Funke Leben, der versuchen wird, nicht zu erlöschen.»
«Du
lieber Gott», sagt Bambuss. «Steht das nicht ähnlich schon bei Euripides?»
«Möglich,
Otto. Dann muß etwas daran sein. Ich will auch nicht darüber schreiben; ich
will versuchen, es zu sein.»
«Es
steht nicht bei Euripides», erklärt Hungermann, der Akademiker, mit freudigem
Blick auf den Dorfschulmeister Bambuss. «Du willst also ...» fragt er mich.
«Ich
habe gestern abend ein Feuer gemacht», sage ich. «Es brannte gut. Ihr kennt die
alte Marschregel: leichtes Gepäck.»
Sie
nicken alle eifrig. Sie kennen sie «nicht» mehr, das weiß ich plötzlich. «Also
dann», sage ich. «Eduard, ich habe hier noch zwölf Eßmarken. Die Deflation hat
sie überholt; aber ich glaube, ich hätte noch ein legales Recht, wenn ich es
vor Gericht durchfechten müßte, dafür mein Essen zu verlangen. Willst du sie in
zwei Flaschen Johannisberger umtauschen? Wir wollen sie jetzt trinken.»
Eduard
kalkuliert blitzschnell. Er kalkuliert auch Valentin ein und das Gedicht über
ihn in meiner Tasche. «In drei», sagt er.
Willy
sitzt in einem kleinen Zimmer. Er hat es gegen seine elegante Wohnung
getauscht. Es ist ein mächtiger Sprung in die Armut, aber Willy erträgt ihn
gut. Er hat seine Anzüge gerettet, etwas Schmuck, und er wird dadurch noch
lange Zeit ein eleganter Kavalier sein. Das rote Auto hat er verkaufen müssen.
Er hatte zu waghalsig nach unten spekuliert. Die Wände seines Zimmers hat er
selbst tapeziert – mit Geldscheinen und wertlosen Aktien der Inflation. «Es war
billiger als eine Tapete», erklärt er. «Und unterhaltender.»
«Und
sonst?»
«Ich
werde wahrscheinlich einen kleinen Posten bei der Werdenbrücker Bank bekommen.»
Willy grinst. «Renée ist in Magdeburg. Großer Erfolg im ,Grünen Kakadu‘,
schreibt sie.»
«Schön,
daß sie wenigstens noch schreibt.»
Willy
macht eine großzügige Geste. «Macht alles nichts, Ludwig. Weg ist weg und hin
ist hin! Außerdem – in den letzten Monaten konnte ich Renée nie mehr dazu
bringen, nachts einen General zu markieren. So war es nur noch halb der Spaß.
Das erstemal, daß sie wieder kommandiert hat, war in der denkwürdigen Schlacht
am Pissoir auf dem Neumarkt. Leb wohl, mein Junge! Als Abschiedsgeschenk ...» Er
öffnet einen Koffer mit Aktien und Papiergeld. «Nimm, was du willst!
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