E.M. Remarque
die Butterbrote nicht gefunden habe. Georgs Smoking liegt darüber. Er hat
ihn wahrscheinlich eingepackt, während ich den Obelisken verkauft habe. Ich
sehe eine Weile auf das schwarze Tuch; dann hole ich die Butterbrote heraus und
beginne zu essen. Es sind gute, erstklassig belegte Butterbrote. Das ganze
Abteil wacht einen Augenblick vom Geruch des Brotes und der herrlichen
Leberwurst auf. Ich kümmere mich um nichts und esse weiter. Dann lehne ich mich
zurück auf meinen Sitz und sehe in das Dunkel, durch das ab und zu Lichter
fliegen, und ich denke an Georg und den Smoking, und dann denke ich an Isabelle
und Hermann Lotz und an den Obelisken, der angepißt wurde und zum Schluß die
Firma gerettet hat, und zuletzt denke ich an gar nichts mehr.
XXVI
Ich
habe keinen von allen wiedergesehen. Ich wollte ab und zu einmal zurückfahren,
aber immer kam etwas dazwischen, und ich glaubte, ich hätte noch Zeit genug,
aber plötzlich war keine Zeit mehr da. Die Nacht brach über Deutschland herein,
ich verließ es, und als ich wiederkam, lag es in Trümmern. Georg Kroll war tot.
Die Witwe Konersmann hatte weiterspioniert und herausbekommen, daß Georg ein
Verhältnis mit Lisa gehabt hatte – 1933, zehn Jahre später, hat sie es an
Watzek verraten, der damals Sturmführer der SA war. Watzek ließ Georg in ein
Konzentrationslager sperren, obschon er schon fünf Jahre vorher von Lisa
geschieden worden war. Ein paar Monate später war Georg tot.
Hans
Hungermann wurde Kulturwart und Obersturmbannführer der neuen Partei. Er
feierte sie in glühenden Versen und hatte deshalb nach 1945 etwas Sorgen, da er
seine Position als Schuldirektor verlor – inzwischen sind aber seine
Pensionsansprüche vom Staat längst anerkannt worden, und er lebt, wie unzählige
andere Parteigenossen, sehr behaglich davon, ohne arbeiten zu müssen.
Der
Bildhauer Kurt Bach war sieben Jahre im Konzentrationslager und kam als
arbeitsunfähiger Krüppel zurück. Heute, zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der
Nazis, kämpft er immer noch um eine kleine Rente, ebenso wie unzählige andere
Opfer des Regimes. Er hofft, wenn er Glück hat, auf eine Rente von siebzig Mark
im Monat – etwa einem Zehntel dessen, was Hungermann als Pension bezieht, und
auch etwa einem Zehntel dessen, was der Staat dem ersten Chef der Gestapo seit
Jahren an Pension bezahlt – dem Mann, der das Konzentrationslager gegründet
hat, in dem Kurt Bach zum Krüppel geprügelt wurde –, ganz zu schweigen
natürlich von den noch wesentlich höheren Pensionen und
Schadenersatzabfindungen, die an Generäle, Kriegsverbrecher und hohe frühere
Parteibeamte gezahlt werden. Heinrich Kroll, der gut durch die Zeit gekommen
ist, sieht darin mit viel Stolz einen Beweis für das unerschütterliche
Rechtsbewußtsein unseres geliebten Vaterlandes.
Der
Major Wolkenstein machte eine ausgezeichnete Karriere. Er wurde Mitglied der
Partei, war bei der Judengesetzgebung beteiligt, lag nach dem Kriege einige
Jahre still und ist heute mit vielen anderen Parteigenossen im Auswärtigen Amt
beschäftigt.
Bodendiek
und Wernicke hielten in der Irrenanstalt für lange Zeit einige Juden versteckt.
Sie brachten sie in die Zellen für die unheilbaren Kranken, schoren sie und
lehrten sie, wie sie sich als Verrückte benehmen mußten. Bodendiek wurde später
in ein kleines Dorf versetzt, weil er sich darüber ungebührlich aufgeregt
hatte, daß sein Bischof den Titel eines Staatsrates angenommen hatte von einer
Regierung, die den Mord als heilige Pflicht pries. Wernicke wurde abgesetzt,
weil er sich weigerte, tödliche Einspritzungen an seinen Kranken
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