E.M. Remarque
bei ihm einen
Grabstein bestellt. Es wird ihm leichtfallen, von dem teuren, unvergeßlichen
Dahingegangenen zu reden, zumal Niebuhr ein Stammtischbruder aus der
Gastwirtschaft Blume war.
Meine
Arbeit ist für heute beendet. Georg Kroll hat sich mit den neuen Nummern des
Berliner Tageblattes und der «Eleganten Welt» in seine Koje neben dem Büro
zurückgezogen. Ich könnte noch die Zeichnung eines Kriegerdenkmals mit bunter
Kreide etwas weiter ausführen; aber dazu ist morgen auch noch Zeit. Ich
schließe die Schreibmaschine und öffne das Fenster. Aus Lisas Wohnung tönt ein
Grammophon. Sie erscheint, völlig angezogen diesmal, und schwenkt ein mächtiges
Bukett roter Rosen aus dem Fenster. Dabei wirft sie mir eine Kußhand zu. Georg!
denke ich. Also doch, dieser Schleicher! Ich deute auf sein Zimmer. Lisa lehnt
sich aus dem Fenster und krächzt mit ihrer heiseren Stimme über die Straße:
«Herzlichen Dank für die Blumen! Ihr Totenvögel seid doch Kavaliere!»
Sie
zeigt ihr räuberisches Gebiß und schüttelt sich vor Lachen über ihren Witz.
Dann holt sie einen Brief hervor. «Gnädigste», krächzt sie. «Ein Bewunderer
Ihrer Schönheit erlaubt sich, Ihnen diese Rosen zu Füßen zu legen.» Sie holt
heulend Atem. «Und die Adresse! An die Circe der Hakenstraße 5. Was ist eine
Circe?»
«Eine
Frau, die Männer in Schweine verwandelt.»
Lisa
bebt, sichtlich geschmeichelt. Das kleine alte Haus scheint mit zu beben. Das
ist nicht Georg, denke ich. Er hat nicht völlig den Verstand verloren.
«Von
wem ist der Brief?» frage ich.
«Alexander
Riesenfeld», krächzt Lisa. «Per Adresse Kroll & Söhne. Riesenfeld!» Sie
schluchzt fast. «Ist das der Kleine, Miese, mit dem ihr in der Roten Mühle
wart?»
«Er
ist nicht klein und mies», erwidere ich. «Er ist ein Sitzriese und sehr
männlich. Außerdem ist er Billiardär!» Lisas Gesicht wird einen Augenblick
nachdenklich. Dann winkt und grüßt sie noch einmal und verschwindet. Ich
schließe das Fenster. Ohne Grund fällt mir plötzlich Erna ein. Ich beginne
unbehaglich zu pfeifen und schlendere durch den Garten zum Schuppen hinüber, in
dem der Bildhauer Kurt Bach arbeitet.
Er
sitzt mit seiner Gitarre vor der Tür auf den Stufen. Hinter ihm schimmert der
Sandsteinlöwe, den er für ein Kriegerdenkmal zurechthaut. Es ist die übliche
sterbende Katze mit Zahnschmerzen.
«Kurt»,
sage ich. «Wenn du auf der Stelle einen Wunsch erfüllt bekommen könntest, was
würdest du dir wünschen?»
«Tausend
Dollar», erwidert er, ohne nachzudenken, und greift einen schmetternden Akkord
auf seiner Gitarre.
«Pfui
Teufel! Ich dachte, du wärest ein Idealist.»
«Ich
bin ein Idealist. Deshalb wünsche ich mir ja tausend Dollar. Idealismus brauche
ich mir nicht zu wünschen. Davon habe ich massenhaft selbst. Was mir fehlt, ist
Geld.»
Dagegen
ist nichts zu sagen. Es ist fehlerlose Logik. «Was würdest du mit dem Gelde
machen?» frage ich, mit noch etwas Hoffnung.
«Ich
würde mir einen Häuserblock kaufen und von den Mieten leben.»
«Schäm
dich!» sage ich. «Das ist alles? Von den Mieten kannst du übrigens nicht leben,
sie sind zu niedrig, und du darfst sie nicht steigern. Du könntest also nicht
einmal die Reparaturen davon bezahlen und müßtest die Häuser bald wieder
verkaufen.»
«Nicht
die Häuser, die ich kaufen würde! Ich würde sie behalten, bis die Inflation
vorbei ist. Dann bringen sie wieder richtige Mieten, und ich brauche nur zu
kassieren.»
Bach
greift einen neuen Akkord. «Häuser», sagt er versonnen, als spräche er von
Michelangelo. «Für hundert Dollar kannst du heute schon eines kaufen, das
früher vierzigtausend Goldmark wert war. Was man da verdienen könnte! Warum
habe ich keinen kinderlosen Onkel in Amerika?»
«Das
ist
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