E.M. Remarque
gestern
vielleicht doch zu hastig mit Erna gewesen sein könnte. Es wäre ja möglich
gewesen, daß sich alles ganz harmlos aufgeklärt hätte. Sie war zudem
eifersüchtig, das sprach aus jedem ihrer Worte. Und Eifersucht ist Liebe, das
weiß jeder.
Ich
starre aus dem Fenster und weiß, daß Eifersucht nicht Liebe ist. Aber was hat
das damit zu tun? Die Dämmerung verdreht einem die Gedanken, und man soll mit
Frauen nicht argumentieren, sagt Georg. Genau das aber habe ich getan! Voll
Reue spüre ich den Duft der Rosen, der das Zimmer in den Venusberg aus dem
Tannhäuser verwandelt. Ich merke, daß ich zerschmelze in All-Vergebung,
All-Versöhnung und Hoffnung. Rasch schreibe ich ein paar Zeilen, klebe den
Brief zu, ohne ihn noch einmal zu lesen, und gehe ins Büro, um dort das
Seidenpapier zu holen, in dem die letzte Sendung von Porzellanengeln angekommen
ist. Ich wickle die Rosen hinein und gehe auf die Suche nach Fritz Kroll, dem
jüngsten Sproß der Firma. Er ist zwölf Jahre alt. «Fritz», sage ich. «Willst du
dir zwei Tausender verdienen?»
«Weiß
schon», erwidert Fritz. «Geben Sie her. Selbe Adresse?»
«Ja.»
Er
entschwindet mit den Rosen – der dritte klare Kopf heute abend. Alle wissen,
was sie wollen, Kurt, Lisa, Fritz – nur ich habe keine Ahnung. Das mit Erna ist
es auch nicht, das weiß ich im Moment, als ich Fritz nicht mehr zurückrufen
kann. Aber was ist es? Wo sind die Altäre, wo die Götter und wo die Opfer? Ich
beschließe, doch zum Mozart-Konzert zu gehen – auch wenn ich allein bin und die
Musik es noch schlimmer macht.
Die
Sterne stehen hoch am Himmel, als ich zurückkomme. Meine Schritte hallen durch
die Gassen, und ich bin voll Erregung. Rasch öffne ich die Tür zum Büro,
schalte das Licht an und bleibe stehen. Da liegen die Rosen, und da liegt auch
mein Brief, ungeöffnet, und daneben ein Zettel mit einer Botschaft von Fritz.
«Die Dame sagt, Sie sollten sich begraben lassen. Gruß, Fritz.»
Sich
begraben lassen. Ein sinniger Scherz! Da stehe ich, blamiert bis auf die
Knochen, voll Beschämung und Wut. Ich stecke den Zettel in den kalten Ofen.
Dann setzte ich mich in meinen Stuhl und brüte vor mich hin. Meine Wut
überwiegt die Beschämung, wie immer, wenn man wirklich beschämt ist, und weiß,
daß man es sein sollte. Ich schreibe einen neuen Brief, nehme die Rosen und
gehe zur Roten Mühle. «Geben Sie dieses doch bitte Fräulein Gerda Schneider»,
sage ich zu dem Portier. «Der Akrobatin.»
Der
reichbetreßte Mann sieht mich an, als hätte ich ihm einen unsittlichen Antrag
gemacht. Dann deutet er mit dem Dauern hoheitsvoll über die Schulter. «Suchen
Sie sich einen Pagen dafür!»
Ich
finde einen Pagen und instruiere ihn. «Überreichen Sie den Strauß bei der
Vorstellung.»
Er
verspricht es. Hoffentlich ist Erna da und sieht es, denke ich. Dann wandere
ich eine Zeitlang durch die Stadt, bis ich müde bin, und gehe nach Hause.
Ein
melodisches Plätschern empfängt mich. Knopf steht gerade wieder vor dem
Obelisken und läßt sich gehen. Ich schweige; ich will nicht mehr diskutieren.
Ich nehme einen Eimer, fülle ihn mit Wasser und gieße ihn Knopf vor die Füße.
Der Feldwebel glotzt darauf. «Überschwemmung», murmelt er. «Wußte gar nicht,
daß es geregnet hat.» Und wankt ins Haus.
VI
Über dem Walde steht
ein dunstiger, roter Mond. Es ist schwül und sehr still. Der Mann aus Glas geht
lautlos vorüber. Er kann jetzt hinaus; die Sonne macht aus seinem Kopf kein
Brennglas mehr. Zur Vorsicht trägt er trotzdem dicke Gummihandschuhe – es
könnte ein Gewitter geben, und das ist für ihn noch gefährlicher als die Sonne.
Isabelle sitzt neben mir auf einer Bank im Garten vor dem Pavillon für die
Unheilbaren. Sie trägt ein enges schwarzes Leinenkleid und hockhackige goldene
Schuhe an den nackten Füßen.
«Rudolf»,
sagt sie,
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