E.M. Remarque
entschwindet.
Karl
Brill kassiert. Er reicht mir mein Geld herüber. Der Dicke inspiziert den Nagel
und die Wand. «Fabelhaft», sagt er.
Ich
spiele das «Alpenglühen» und das «Weserlied», zwei weitere Favoriten Frau
Beckmanns. Sie kann sie im oberen Stock hören. Karl blinzelt mir stolz zu; er
ist ja schließlich der Besitzer dieser imposanten Kneifzange. Steinhäger, Bier
und Korn fließen. Ich trinke ein paar mit und spiele weiter. Es paßt mir, jetzt
nicht allein zu sein. Ich möchte nachdenken, und trotzdem auf keinen Fall
nachdenken. Meine Hände sind voll einer unbekannten Zärtlichkeit, etwas weht
und scheint sich an mich zu drängen, die Werkstatt verschwindet, der Regen ist
wieder da, der Nebel und Isabelle und das Dunkel. Sie ist nicht krank, denke
ich, und weiß doch, daß sie es ist – aber wenn sie krank ist, dann sind wir
alle noch kränker –
Ein
lauter Streit weckt mich. Der Dicke hat Frau Beckmanns Formen nicht vergessen
können. Angefeuert durch eine Anzahl Schnäpse hat er Karl Brill ein dreifaches
Angebot gemacht: fünf Millionen für einen Nachmittag mit Frau Beckmann zum Tee
– eine Million für ein kurzes Gespräch jetzt, bei dem er sie wahrscheinlich zu
einem ehrenhaften Abendessen ohne Karl Brill einladen möchte – und zwei
Millionen für ein paar gute Griffe an das Prachtstück der Beckmannschen
Anatomie, hier in der Werkstatt, unter Brüdern in fröhlicher Gesellschaft, also
durchaus ehrenhaft.
Jetzt
aber zeigt sich der Charakter Karls. Wenn der Dicke nur sportlich interessiert
wäre, könnte er die Griffe vielleicht haben, schon gegen eine Wette von solch
einer Lumperei wie hunderttausend Mark – aber in bockhafter Lust wird sogar der
Gedanke an einen solchen Griff von Karl als schwere Beleidigung empfunden. «So
eine Schweinerei!» brüllt er. «Ich dachte, ich hätte nur Kavaliere hier!»
«Ich
bin Kavalier», lallt der Dicke. «Deshalb ja mein Angebot.»
«Sie
sind ein Schwein.»
«Das
auch. Sonst wäre ich ja kein Kavalier. Sie sollten stolz sein, bei einer
solchen Dame – haben Sie denn kein Herz in der Brust? Was kann ich machen, wenn
meine Natur sich in mir aufbäumt? Wozu sind Sie beleidigt? Sie sind doch nicht
mit ihr verheiratet!»
Ich
sehe, wie Karl Brill zuckt, als hätte man ihn angeschossen. Er lebt in wilder
Ehe mit Frau Beckmann, die eigentlich seine Haushälterin ist. Warum er sie
nicht heiratet, weiß niemand — höchstens aus derselben Hartnäckigkeit seines
Charakters heraus, mit der er auch im Winter ein Loch ins Eis haut, um
schwimmen zu können. Trotzdem ist dies seine schwache Stelle.
«Ich»,
stottert der Dicke, «würde ein solches Juwel auf Händen tragen und sie in Samt
und Seide hüllen – Seide, rote Seide ...», er schluchzt fast und malt üppige
Formen in die Luft. Die Flasche neben ihm ist leer. Es ist ein tragischer Fall
von Liebe auf den ersten Blick. Ich spiele weiter. Die Vorstellung, daß der
Dicke Frau Beckmann auf Händen tragen könnte, ist zuviel für mich.
«Raus!»
erklärt Karl Brill. «Es ist genug. Ich hasse es, Gäste rauszuschmeißen, aber ...»
Ein
furchtbarer Schrei ertönt aus dem Hintergrund. Wir springen auf. Ein kleiner
Mann tanzt dort herum. Karl stürzt auf ihn zu, greift nach einer Schere und
stellt eine Maschine ab. Der kleine Mann wird ohnmächtig.
«Verdammt!
Wer kann auch wissen, daß er im Suff an der Schnellbesohlmaschine herumspielt!»
flucht Karl.
Wir
besichtigen die Hand. Ein paar Fäden hängen heraus. Es hat ihn zwischen
Zeigefinger und Daumen im weichen Fleisch erwischt – ein Glück. Karl gießt
Schnaps auf die Wunde, und der kleine Mann kommt zu sich.
«Amputiert?»
fragt er voll Grauen, als er seine Hand in Karls Pfoten sieht.
«Unsinn,
der Arm ist noch dran.»
Der
Mann seufzt erleichtert, als Karl ihm den Arm vor seinen Augen schüttelt.
«Blutvergiftung,
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