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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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war, für sich und
seine fette Familie stahl, und dass sie manchmal nur altbackenes Brot und eine wässrige Suppe zum Abendessen bekamen. Und so ging es immer weiter: Sie und Emma erzählten abwechselnd von den vielen Waisenhäusern, in denen sie gelebt hatten, von den Kindern, die sie dort getroffen hatten, dass sie sich niemals als Waisen betrachtet hatten, weil sie wussten, dass ihre Eltern eines Tages zurückkommen würden. Sie merkten kaum, dass Miss Sallow eintrat und ein Tablett mit Tee, Toast und Marmelade vor sie hinstellte und irgendwann später die leeren Teller wieder abräumte. Kate und Emma erzählten und erzählten – Dinge, die sie noch niemandem erzählt hatten, wie zum Beispiel Kates Erinnerung an ihre Eltern, ihre Träume über das Haus, in dem sie leben würden, wenn ihre Familie wieder beisammen wäre. Emma redete lange über den Hund, den sie haben würde. Er müsste schwarz mit weißen Flecken sein und würde Mr Smith heißen. Mr Smith würde keinerlei Kunststücke vorführen, weil das erniedrigend war. Von Emmas Wunsch nach einem Hund hatte Kate keine Ahnung gehabt. Irgendwann kam wieder Miss Sallow herein, diesmal mit einem Tablett voller belegter Brote, und sie erzählten von Miss Crumley und der unseligen Begegnung mit der Schwanenfrau, von der Zugfahrt nach Norden, wie dicht der Nebel auf dem See gewesen war, wie Abraham mit dem Pferdekarren auf sie gewartet hatte – der erste Pferdekarren, den sie je im Leben gesehen hatten –, und plötzlich merkte Kate, dass Dr. Pym etwas sagte.
    »Du meine Güte, was für eine Odyssee! Und es ist kaum zu glauben, aber der halbe Tag ist schon vorbei. Ts, ts! Nun, so anregend eure Erzählung auch war, ich möchte euch jetzt nicht länger aufhalten. Ihr habt bestimmt Wichtigeres zu tun, als einen alten Mann zu unterhalten.«

    Kate fühlte sich, als ob sie aus einem Traum erwachte. Sie schaute auf den leeren Teller, wo die belegten Brote gelegen hatten. Hatten sie und Emma das alles gegessen? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Das Feuer knisterte noch immer im Kamin, aber die Sonne war über das Fenster gewandert und dann verschwunden. Wie lange waren sie schon hier?
    »Wir reden später weiter. Aber ich möchte euch noch einen guten Rat geben.« Er beugte sich in seinem Sessel vor. »Es gibt Orte auf dieser Welt, die anders sind als alle anderen. Fast wie eine andere Welt. Ein Wald hier, eine Insel da, ein Stadtteil …«
    »Ein Gebirge«, sagte Kate. »Ja«, sagte Dr. Pym. »Manchmal sogar ein ganzes Gebirge. Cambridge Falls ist ein solcher Ort, Cambridge Falls und seine Umgebung. In der Siedlung selbst – eine Stadt ist es ja kaum – seid ihr relativ sicher. Aber geht nicht tiefer in die Berge hinein. Dort lauern Gefahren, die ihr euch nicht einmal vorstellen könnt. Eines Tages werde ich euch das näher erklären, aber für heute bitte ich euch, mir einfach zu glauben.«
    Er schaute Kate an, und wieder hatte sie das Gefühl, dass er bis in ihr Innerstes blicken konnte. Sie nickte, und er lehnte sich lächelnd zurück. »Ausgezeichnet. Übrigens habe ich Miss Sallow gebeten, morgen Abend etwas Besonderes zu essen zu kochen. Vielleicht eine Gans. Immerhin ist Heiligabend.«
    »Was?!«, riefen Kate und Emma wie aus einem Mund. »Aber ja! Wusstet ihr das etwa nicht?« Und dann, als ob ihm der Gedanke gerade eben gekommen wäre, murmelte er: »Ja, natürlich. Es war Heiligabend, als ihr im St.-Mary-Waisenhaus abgegeben wurdet, nicht wahr? Morgen«, sagte er, wobei er im Stillen nachzurechnen schien, »wird also der zehnte Jahrestag des Verschwindens eurer Eltern sein.«

    Kate war sprachlos. War morgen wirklich Heiligabend? Wie hatte ihr das entgehen können? Es war fast so, als ob bei der Unterhaltung mit dem Doktor nicht nur Stunden, sondern Tage oder Wochen vergangen wären.
    Dr. Pym stand auf. »Vielleicht geht es eurem Bruder morgen schon wieder besser und ich kann ihn endlich kennenlernen. « Er brachte die beiden Mädchen, denen immer noch etwas schwindelig war, zur Tür. »Sagt mal, wollt ihr zufällig zu Abraham? «
    Kate fragte nicht, woher er das wusste. Sie nickte nur benommen.
    »Bittet ihn, euch das letzte Foto zu zeigen. Das letzte, das er je aufgenommen hat. Das könnte euch interessieren.«
    Und damit schob er sie aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter ihnen.
     
     
    Sobald Kate und Emma die Bibliothek verlassen hatten, verschwand der Nebel aus ihrem Kopf.
    »Was ist passiert?«, fragte Emma. »Ich hatte irgendwie den

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