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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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selbst. – Ich kann es nicht! – Du kannst es nicht! Nun, so suche dir einen Freund zu erwerben; ich wüßte sonst nicht, wie dir zu helfen ist.
    Ein Erzieher! O welch eine erhabene Seele! Fürwahr, um einen Menschen zu bilden, muß man entweder Vater oder mehr als ein Mann sein. Und ein solches Amt vertrauet ihr ruhig Miethlingen an!
    Je mehr man darüber nachdenkt, auf desto mehr neue Schwierigkeiten stößt man. Der Erzieher hätte für seinenZögling, die Diener hätten für ihren Herrn erzogen werden müssen, Alle, die ihm nahe kommen, hätten die Eindrücke, welche sie ihm mittheilen sollen, empfangen müssen. Von Erziehung zu Erziehung müßte man bis zu den frühesten Uranfängen zurückgehen. Wie ist es möglich, daß ein Kind von Jemandem gut erzogen wird, der selbst nicht gut erzogen ist?
    Sollte sich ein solcher seltener Sterblicher nicht auffinden lassen? Ich weiß es nicht. Wer will sich vermessen zu bestimmen, bis zu welcher Höhe der Tugend sich selbst in dieser Zeit der Erniedrigung eine menschliche Seele emporzuschwingen vermag? Allein nehmen wir einmal an, dieser Wundermann sei entdeckt. Bei der Erwägung und Feststellung seiner Obliegenheiten werden wir einsehen, was er sein soll. Im Voraus halte ich es für selbstverständlich, daß ein Vater, der den ganzen Werth eines guten Erziehers zu schätzen wüßte, sich dazu entschließen würde, auf einen solchen zu verzichten; denn er würde mehr Zeit und Mühe daran setzen müssen, ihn sich zu verschaffen als selbst einer zu werden. Will er sich deshalb nach einem Freunde umsehen, so möge er lieber seinen Sohn dazu erziehen; dann ist er der Mühe überhoben, ihn anderwärts zu suchen, und die Natur hat schon die Hälfte des Werkes ausgerichtet.
    Jemand, von dem mir nichts weiter als sein Rang bekannt ist, hat mir die Erziehung seines Sohnes anvertrauen wollen. Unstreitig hat er mir dadurch eine große Ehre erwiesen; allein anstatt sich über meinen ablehnenden Bescheid zu beschweren, hat er vielmehr alle Ursache mir über die gehegten Bedenken seine volle Zufriedenheit zu erkennen zu geben. Hätte ich sein Anerbieten angenommen und meine Methode hätte sich als irrthümlich herausgestellt, so wäre meine Erziehung mißlungen gewesen; hatte ich dagegen glückliche Resultate erzielt, so wäre es noch schlimmer gewesen. Sein Sohn hätte auf seine Titel verzichtet, er hätte nicht mehr Prinz sein wollen.
    Ich bin von der Größe der Pflichten eines Erziehers zu sehr durchdrungen und fühle meine Unfähigkeit in zu hohem Grade, um je ein solches Amt anzunehmen, vonwelcher Seite es mir auch immer angetragen werden möge, und selbst das Interesse der Freundschaft würde für mich nur ein neuer Beweggrund der Ablehnung sein. Ich bin überzeugt, daß sich nach Lectüre dieses Buches nur Wenige versucht fühlen werden, mir ein solches Anerbieten zu machen, und ich bitte diejenigen, welche sich etwa doch dazu verstehen könnten, sich keine vergebliche Mühe zu geben. Der Versuch, den ich in früherer Zeit mit der Erziehungskunst gemacht, hat mir den genügenden Beweis geliefert, daß ich mich nicht für dieselben eigne, und meine äußere Lage würde mir die Ausübung desselben auch dann unmöglich machen, wenn es mir an der nöthigen Befähigung nicht gebräche. Diese öffentliche Erklärung glaubte ich denen schuldig zu sein, welche eine zu geringe Meinung von mir zu liegen scheinen, um mich für aufrichtig und fester Entschlüsse fähig zu halten.
    Außer Staude die schwerere Aufgabe zu lösen, will ich mich wenigstens an die leichtere heranwagen; nach dem Beispiele so vieler Anderer will ich nicht die Hand ans Werk legen, sondern an die Feder, und anstatt das Erforderliche zu thun, will ich mich es zu sagen bemühen.
    Ich weiß recht wohl, daß die Verfasser bei ähnlichen Unternehmungen in ihren Systemen, mit deren praktischer Ausführung sie sich nicht zu befassen brauchen, mit der größten Seelenruhe und in der oberflächlichsten Weise viel prächtig klingende, aber ganz unpraktische Vorschriften zu machen pflegen, und daß, weil sie es an der Besprechung der Einzelheiten und an den nöthigen Beispielen fehlen lassen, selbst das Ausführbare so lange ohne Nutzen bleibt, bis sie die Ausführbarkeit gezeigt haben.
    Um mich nun nicht ähnlichen Vorwürfen auszusetzen, bin ich auf den Ausweg verfallen, mir einen imaginären Zögling zu geben, mich selbst mit dem Alter, der Gesundheit, den Kenntnissen und allen Fähigkeiten ausgerüstet zu denken, die dazu

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