Emil oder Ueber die Erziehung
gehören, die dazu einträfen. Würden in meiner Nachbarschaft Hochzeiten, die hier vom Himmel gesegneter als in der Stadt sind, gefeiert, so würde man wissen, daß ich die Freude liebe und mich dazu einladen. Ich würde diesen guten Leuten einige Geschenke mitbringen, die mit ihrer eigenen Einfachheit in Einklang ständen und geeignet wären, zur Erhöhung der Festlichkeit beizutragen, und dafür würde mir ein Lohn von unschätzbarem Werthe zu Theil werden, Güter würden mein Lohn sein, welche meinen Standesgenossen so wenig bekannt sind, nämlich Offenherzigkeit und wirkliches Vergnügen. Heiter würde ich am Ende ihres langen Tisches mit ihnen essen, mit dem Chor in die Schlußverse eines alten Volksliedes einfallen und auf ihrer Tenne mit größerem Frohsinn tanzen als auf einem Balle im Opernhaus.
So weit ist ja Alles ganz herrlich, wird man sagen; aber wie steht es denn mit der Jagd? Kann man auf dem Lande wol weilen, ohne zu jagen? Ja, ja, ich begreife; ich wünschte mir nur eine Meierei und darin hatte ich Unrecht. Ich habe ja angenommen, daß ich reich bin, und da habe ich ganz besondere Vergnügungen nöthig, Vergnügungen, bei denen Alles auf das Vernichten ausgeht.Das ist natürlich etwas ganz Anderes. Ich bedarf Ländereien, Waldungen, Waldhüter, Grundzinsen, herrschaftliche Ehren, vor Allem aber Weihrauch und Weihwasser.
Sehr gut. Dieses Landgut wird indeß Nachbarn haben, die nicht allein auf ihre Rechte eifersüchtig, sondern auch von dem Wunsche beseelt sind, die Rechte Anderer an sich zu reißen. Unsere Waldhüter werden in Streitigkeiten gerathen, und vielleicht sogar die Herren. Daraus entwickeln sich denn Hader, Zwistigkeiten, Haß, und wenigstens Processe; das gehört schon nicht zu den Annehmlichkeiten. Meine Lehnsleute werden es auch gerade nicht mit Vergnügen anblicken, wenn meine Hasen auf ihrem Getreide äsen und meine Wildschweine ihre Bohnen verwüsten. Obgleich Keiner wagen wird, den Feind, der seine Arbeit vergeblich macht, zu tödten, so wird ihn doch Jeder von seinem Feld verjagen wollen. Nachdem sie den Tag über ihre Aecker bestellt hätten, würden sie dieselben des Nachts beschützen müssen. Sie werden sich dazu ihrer großen Hunde bedienen, werden sich Trommeln, Hörner und Schellen anschaffen und mich durch all diesen Höllenlärm aus meinem Schlafe aufschrecken. Ich mag wollen oder nicht, so werde ich an das Elend dieser armen Leute denken müssen und nicht umhin können, mir darüber im Stillen Vorwürfe zu machen. Hätte ich die Ehre, ein Fürst zu sein, so würde dies Alles auf mich freilich keinen Eindruck machen; aber ich, ein junger Emporkömmling, der ich vor Kurzem erst in den Besitz meines Reichthums gelangt bin, habe mein bürgerliches Herz noch nicht so schnell verwandeln können.
Das ist noch nicht einmal Alles. Der Ueberfluß an Wild wird die Jäger in Versuchung führen. Es wird nicht lange dauern, so werde ich Wilddiebe zu bestrafen haben; ich werde der Gefängnisse, der Kerkermeister, Häscher und Galeeren bedürfen. Dies Alles kommt mir in hohem Grade grausam vor. Die Frauen dieser Unglücklichen werden meine Thüre belagern und mir mit ihrem Geschrei beschwerlich fallen; man wird sie entweder forttreiben oder mißhandeln müssen. Die armen Leute, welche sich nicht so weit vergessen haben, zu wilddieben, deren Ernte abermein Wild zerstört hat, werden erscheinen, um ihrerseits Klage zu führen. Die Einen werden dafür gestraft werden, daß sie das Wild getödtet haben, die Anderen werden zu Grunde gehen, weil sie es geschont haben. Was für eine traurige Alternative! Auf allen Seiten werde ich nur Gegenstände des Elends wahrnehmen, nur Seufzer vernehmen. Das muß doch, wie mich bedünken will, das Vergnügen, ganze Ketten von Rebhühnern und Schaaren von Hasen in aller Bequemlichkeit fast unmittelbar unter seinen Füßen erlegen zu können, gewaltig stören.
Wollt ihr eure Vergnügungen von den ihnen anhaftenden Unannehmlichkeiten frei machen, so nehmet ihnen den ausschließlichen Charakter. Je mehr ihr darauf bedacht sein werdet, auch alle Uebrige an denselben Theil nehmen zu lassen, einen desto reineren Genuß werden sie euch gewähren. Deshalb werde ich von alledem, was ich eben aufgeführt habe, nichts thun; ohne meine Neigungen zu ändern, werde ich mich indeß von derjenigen leiten lassen, deren Befriedigung, meiner Ansicht nach, den wenigsten Kostenaufwand verlangt. Ich werde meinen ländlichen Aufenthalt nach einem Landestheile verlegen, wo
Weitere Kostenlose Bücher