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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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glaubt in seinem Liebesrausche seines Glückes schon sicher zu sein. Gleichwol gelingt es ihm nicht, Sophie zu einem ausdrücklichen Geständniß zu bewegen. Sie hört ihn wol an, erwidert aber nichts. Emil kennt den hohen Grad ihrer Sittsamkeit; diese große Zurückhaltung wundert ihn deshalb wenig. Er ist sich bewußt, bei ihr nicht schlecht angeschrieben zu stehen, und weiß überdies, daß die Väter ihre Kinder verheirathen. Er setzt voraus, Sophie warte erst auf einen Befehl ihrer Eltern, bittet um die Erlaubniß, um sie anhalten zu dürfen, und sie erhebt dagegen keinen Einwand. Er nimmt mit mir darüber Rücksprache, und in seinem Namen, ja in seiner Gegenwart bringe ich den Antrag vor. Welche Überraschung für ihn, als er vernimmt, daß die Entscheidung in Sophiens eigene Hand gelegt ist, und daß es lediglich in ihrem Willen liegt, ihn glücklich zu machen! Ihr Benehmen beginnt ihm räthselhaft zu werden. Seine Zuversicht nimmt ab. Er wird unruhig, gelangt zur Einsicht, daß er seines Erfolges noch nicht so sicher sei, als er gedacht, und nun ergeht sich die zärtlichste Liebe in der rührendsten Sprache, um sie zu erweichen.
    Emil ist nicht dazu angethan, zu errathen, was ihm schadet. Wenn man ihn nicht darauf aufmerksam macht,wird er es in seinem ganzen Leben nicht erfahren, und Sophie ist zu stolz, um es ihm zu sagen. Die Schwierigkeit, welche sie zurückhält, würde für Andere ein Sporn sein, ihm entgegenzukommen. Sie hat die Lehren ihrer Eltern nicht vergessen. Sie ist arm, während Emil, wie sie weiß, reich ist. Wie viel gehört deshalb dazu, daß er ihr Achtung abnöthigt! Welche Vorzüge muß er besitzen, um diese Ungleichheit zu verwischen! Wie könnte es ihm aber einfallen, in seinem Reichthume ein Hinderniß zu erblicken? Weiß Emil überhaupt nur, daß er reich ist? Kommt es ihm auch nur in den Sinn, sich danach zu erkundigen? Er hat, dem Himmel sei Dank, der Reichthümer nicht nöthig, weil er auch ohne dieselben Wohlthaten um sich zu verbreiten versteht. Zu dem Guten, was er thut, bedarf er nicht der Börse, sondern eines guten Herzens. Er widmet den Unglücklichen seine Zeit, seine Sorgfalt, seine Zuneigung, seine Person. Das Geld, welches er an die Dürftigen austheilt, wagt er kaum in Anschlag zu bringen.
    Da er nicht weiß, welchem Umstande er ihre Ungunst zuschreiben soll, mißt er sich selbst die Schuld bei; denn wer würde sich wol erkühnen, den Gegenstand seiner Verehrung einer Laune für fähig zu halten? Die Demüthigung der Eigenliebe erhöht die Betrübniß über die unerwiderte Liebe. Er naht sich Sophien nicht mehr mit jener liebenswürdigen Zuversicht eines Herzens, das sich des ihrigen würdig fühlt. Er ist in ihrer Gegenwart schüchtern und ängstlich. Da er die Hoffnung aufgegeben hat, sie durch Zärtlichkeit zu rühren, sucht er sie durch Erregung ihres Mitleids zu erweichen. Mitunter ermüdet seine Geduld und droht dem Verdrusse weichen zu wollen. Sophie scheint dann das heraufziehende Ungewitter zu ahnen und blickt ihn an. Dieser einzige Blick reicht hin, ihn zu entwaffnen und einzuschüchtern; er ist demüthiger als zuvor.
    Durch diesen beharrlichen Widerstand und dieses unüberwindliche Schweigen beunruhigt, schüttet er sein Herz endlich in das seines Freundes aus. Hier legt er die Schmerzen seines von Kummer zerrissenen Herzens nieder.Er fleht um Beistand und Rath. »Welch undurchdringliches Geheimniß! Sie nimmt, wie sich nicht bezweifeln läßt, Antheil an meinem Geschick. Weit davon entfernt, mich zu meiden, ist sie vielmehr gern mit mir zusammen. Bei meiner Ankunft verräth sie Freude, bei meinem Scheiden Kummer. Meine Aufmerksamkeiten nimmt sie gütig auf; meine kleinen Dienste scheinen ihr zu gefallen; sie läßt sich herab, mir ihre Ansichten auseinanderzusetzen, ja mir bisweilen sogar ihre Befehle zu ertheilen. Trotzdem weist sie all mein Bitten und Flehen zurück. Wenn ich mich von einer Vereinigung zu reden unterfange, legt sie mir gebieterisch Schweigen auf, und wenn ich nur noch ein einziges Wort hinzufüge, verläßt sie mich augenblicklich. Welch befremdender Grund kann ihr den Wunsch eingeben, daß ich ihr angehöre, ohne daß sie von meinem Wunsche, sie die Meine nennen zu dürfen, etwas wissen will? Reden Sie mit ihr, Sie, den sie ehrt und liebt und dem sie kein Schweigen aufzuerlegen wagt; bewegen Sie sie dazu, endlich ihr Schweigen zu brechen. Erweisen Sie mir, Ihrem Freunde, diesen Dienst und krönen Sie damit Ihr Werk. Lassen Sie Ihre

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