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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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aufgehen und wachsen sehen, wird es seinerseits Gartenbau treiben wollen.
    Den bereits entwickelten Grundsätzen zufolge kämpfe ich gegen diese Neigung nicht an; ich begünstige sie im Gegentheile, theile sein Interesse, arbeite mit ihm, nicht ihm, sondern mir zu Liebe; wenigstens glaubt es das Kind. Ich werde sein Gärtnergehilfe: bis es seine eigenen Arme gebrauchen lernt, bestelle ich für dasselbe das Land. Es nimmt darauf Besitz davon, indem es eine Bohne pflanzt; und sicherlich ist diese Besitznahme heiliger und ehrwürdiger, als die Besitzergreifung von Südamerikadurch Nunez Balbao, welcher im Namen des Königs von Spanien seine Fahne an der Küste der Südsee aufpflanzte.
    Täglich kommen wir nun, die Bohnen zu begießen, und sehen sie mit innigster Freude aufgehen. Ich erhöhe diese Freude noch dadurch, daß ich zu ihm sage: »Dies ist dein Eigenthum«; und indem ich ihm dabei den Ausdruck Eigenthum erkläre, rufe ich in ihm das Bewußtsein hervor, daß es seine Zeit, seine Arbeit, seine Mühe, ja selbst seine Person daran gewendet habe, daß in diesem Lande also gleichsam etwas von ihm selbst liege, das es gegen Jeden, wer es auch immer sei, mit demselben Rechte für sich in Anspruch nehmen könne, wie es seinen Arm aus der Hand eines Andern, der diesen wider seinen Willen zurückhalten wolle, zurückziehen dürfe.
    Eines schönen Tages kommt Emil wieder ganz eilfertig an, die Gießkanne in der Hand. O, welch ein Anblick bietet sich ihm dar! Welch ein Schmerz erfüllt seine Seele! Alle Bohnen sind ausgerissen, das ganze Beet ist umgewühlt; kaum ist der Platz noch wiederzuerkennen. »Ach, was ist aus meiner Arbeit, meinem Werke, was aus der süßen Frucht meiner Mühen und meines Schweißes geworden? Wer hat mir mein Gut geraubt? Wer hat mir meine Bohnen genommen?« Das junge Herz empört sich. Das erste Gefühl erlittenen Unrechts hat seine Seele in bitteren Schmerz versenkt. Stromweise rinnen ihm Thränen über die Wangen. Das trostlose Kind erfüllt die Luft mit Seufzen und Wehgeschrei. Man nimmt Antheil an seiner Trauer und Entrüstung, man forscht nach, zieht Erkundigungen ein, stellt genaue Untersuchung gen an. Endlich entdeckt man, daß der Gärtner den Streich verübt hat. Man läßt ihn kommen.
    Aber hier haben wir die Rechnung ohne den Wirth gemacht! Kaum erfährt der Gärtner den Grund unserer Klage, als er noch weit gewaltiger als wir zu klagen beginnt. »Wie, meine Herren, Sie sind es also, die alle meine Arbeit vereitelt haben? Ich hatte hier ein Beet maltesischer Melonen angelegt, deren Kerne mir als ein kostbarer Schatz geschenkt worden waren, und mit deren Früchten ich Sie, wenn sie reif sein würden, zu bewirthengehofft hatte. Aber nun sehen Sie, was Sie angerichtet haben! Blos um ihre elenden Bohnen zu pflanzen, haben Sie mir meine Melonen, die schon aufgegangen waren, und die ich nie wieder ersetzen kann, zerstört. Sie haben mir einen unersetzlichen Schaden zugefügt und sich selber des Vergnügens beraubt, ausgezeichnete Melonen zu essen.«
    Johann Jacob . Entschuldige uns, mein armer Robert. Du hast deine Arbeit, deine Mühe darauf verwendet. Ich sehe ein, daß wir Unrecht gethan haben, dein Werk zu vernichten; indeß wollen wir dir andere Kerne aus Malta kommen lassen, und kein Stück Land wieder bearbeiten, bevor wir erfahren haben, ob nicht schon vor uns irgend ein Anderer Hand daran gelegt hat.
    Robert. Nun, meine Herren, dann werden Sie sich für immer der Ruhe hingeben können, denn unbebautes Land gibt es nirgends mehr. Ich bearbeite das, was mein Vater urbar gemacht hat; Jeder handelt seinerseits eben so, und alle Ländereien, die Sie sehen, befinden sich längst in festem Besitz.
    Emil. Gehen Ihnen denn oft, Herr Robert, Melonenkerne auf solche Weise verloren?
    Robert. Bitte um Verzeihung, junger Herr; es gerathen nicht oft solche Herrchen darüber, die so unbesonnen sind wie Sie. Niemand vergreift sich an dem Garten seines Nachbars; Jedermann nimmt auf die Arbeit Anderer Rücksicht, damit seine eigene verschont bleibe.
    Emil. Aber ich habe keinen Garten!
    Robert. Was geht mich das an? Wenn Sie in dem meinigen Schaden anrichten, so werde ich Ihnen nicht mehr erlauben, in demselben spazieren zu gehen, denn, sehen Sie, ich will den Lohn meiner Mühe nicht verlieren.
    Johann Jacob. Könnten wir mit dem guten Robert nicht einen Vergleich abschließen? Vielleicht überließe er uns, meinem kleinen Freunde und mir, einen Winkel seines Gartens unter der Bedingung zur Bearbeitung,

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