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Emil

Emil

Titel: Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Burstein
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etwas. Niemand steht auf und schreit es heraus. So fahren sie noch ein paar Haltestellen, bis sie aussteigen. Oder sitzen im Konzert zwei Reihen auseinander. Oder am Strand. Oder fahren in einem Bürogebäude in zwei Aufzügen, der eine nach oben, der andere nach unten, aneinander vorbei, nur durch eine dünne Wand getrennt. Und durch die Bewegung.
    Wie jemand, der nachts einen Hund überfährt, und niemand hat ihn gesehen und niemand beschuldigt ihn, doch der Hund lässt ihm keine Ruhe. Er sieht Hunde auf der Straße und am nächsten Tag beginnt er, ihnen etwas Wasser hinzustellen. Stellt plötzlich erstaunt fest, dass es auf der Straße keine Hunde mehr gibt. Alle ausgerottet. Nur Katzen gibt es. Oder ein Mensch, dem jemand die Hand gestohlen hat, und der Dieb geht nah an ihm vorbei, die Hand bei sich tragend. So etwa fühlte er sich, könnte man sagen.
    Langsam von der Strömung des Jarkon-Flusses getragen, ein Segel ohne Boot, trieb eine aufgeblähte Nylontüte ostwärts. Ein wenig unter Wasser, zum Großteil Luft. Statistisch gesehen, dachte [ ]. Statistisch gesehen. Er blickt zurück, seinen Rücken dem Fluss zugewandt. Statistisch gesehen mochte es sein, dass in ebendiesem Augenblick Emil und seine beiden Adoptiveltern in einem Holzboot auf dem Fluss vorbeifuhren. Joel am Ruder. Lea ihre Augen vor der Sonne abschirmend. Und Emil im Bauch des Bootes schlafend, mit dem Kopf auf einem zusammengerollten Seil. Als [ ] seinen Blick wieder nach vorne wandte, hatte das Boot bereits die Flussbiegung passiert und war verschwunden.
    Nicht so geschah es.
    Er richtete seinen Blick wieder nach vorn. Die Tüte war nicht mehr da. Wenn er nur ein wenig dort verweilt hätte, fünf Monate, zwei Tage und drei Minuten lang, wäre sein Gedanke und der Anblick des vorbeifahrenden Bootes eins geworden. Wirklich.
    Zu seinem Glück wusste er es nicht.

[ ]
    Sie hatte auch einen Kater.
    Nächtelang konnte sie nicht schlafen. Sie liebte ihn. Wie? Wie er hieß? Er hieß Max und Moritz, der Kater. Er hatte zwei Namen.
    Tag für Tag stieg er aufs Bett, um sein Nickerchen zu halten. Das tat er immer. An einem Wintertag schlief er jedoch auf der Decke ein. Sie stand davor, was sollte sie tun, wenn sie an der Decke zöge, würde er aufwachen. Andererseits diese Kälte … Zum Schluss legte sie sich ganz vorsichtig neben Max und Moritz hin und schlief ein. Sich selbst deckte sie mit dem Kissen zu. [ ], ihr Mann, war damals weit weg. Auf Reisen. Es war das Ende des Steuerjahrs. Die Oud war in ihrer Hülle zu Hause geblieben. Der Kater stieß immer wieder mit den Pfoten dagegen.
    Am Morgen erwachte sie steif und fröstelnd. Der Kater sah sie an, als warte er auf etwas. Und wirklich wartete er auf etwas.
    Sie ging hinunter in den Laden, kaufte ihm Huhn. Nahm die Schenkel auseinander, schnitt das Fleisch in Scheiben, zerkleinerte es mundgerecht. Da, friss. Stellte es ihm hin. Briet Leber und Gurgel. Max und Moritz kam daher. Er hatte das Huhn gerochen und ging ins Zimmer, um zu fressen. Hätte es beim Metzger noch ein wenig länger gedauert, wäre er sehr böse geworden. Hätte es mit dem Huhn noch ein wenig länger gedauert, hätte er ihr eine Szene gemacht. Einmal hatte er sie gekratzt. Und wenn sie ihn im Zimmer einschloss, weil sie zum Beispiel lesen wollte, öffnete er die Tür. Das konnte er.
    Manchmal dachte sie, er sei der Satan höchstpersönlich. So fett, jeden Tag ein halbes Huhn, und auch heiße Milch mochte er … vielleicht sollte man ihn erwürgen … ins Feuer werfen…
    Doch noch am selben Tag hüpfte er wieder aufs Bett. Einmal träumte sie, er vergewaltige sie. Er war weder ganz Kater noch Mensch, so halb halb, er grub seine Krallen in sie und vergewaltigte sie, sie wehrte ihn wimmernd ab, vergeblich. Seit damals vergewaltigte er sie von Zeit zu Zeit. Fast hatte sie sich daran gewöhnt.
    Es gab etwas anderes, vor dem sie sich sehr fürchtete. Dass man eine Sozialarbeiterin zu ihr schicken würde. Ja, eine Sozialarbeiterin. Eine Sozialarbeiterin.
    Wozu eigentlich? Und wen genau? Egal. Lasst mich in Ruhe.
    Jetzt tat ihr der Hals weh. Wieder stieg er auf die Decke. Die ganze Decke war schon voller Katzenhaare, auch ihre Handtaschen waren davon bedeckt. Beim Waschen ging es nicht weg. Sie klebten daran, als ob sie aus dem Taschenleder sprössen, wie Haare aus dem Körper wachsen.
    Wie ihr Mann ihn hasste. Und ihre Mutter fürchtete sich vor ihm. Wenn ihre Mutter zu Besuch kam, schloss [ ] Max und Moritz in einem der Zimmer ein. Die

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