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Emil

Emil

Titel: Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Burstein
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zunichte. Entweder tötest du selbst oder du hilfst den anderen beim Töten. Helfen kann man sogar beim Armeesender oder im Rekrutierungszentrum.
    Und er hatte diesen Traum, in dem er Emil von einer palästinensischen Familie adoptieren ließ, in Ramallah war es. Und als sie vom Rekrutierungszentrum kommen, sagt er: Nein, verkündet ihnen feierlich, dass der Junge ab jetzt ›Angehöriger einer Minderheit‹ sei. Und die Rekrutierer fragen enttäuscht: Was, ein arabischer Junge? Sie schauten in die Wellen. Zwischen den Wellen und dem Strand zog sich eine Linie, die Kinder mit Plastikharken gezogen hatten.
    Joel hob an: Jetzt, da diese Last von uns ist. Emil schwieg. Was würde er morgen tun? Vor zwei Wochen war er noch in die Schule gegangen. Und dann diese Episode mit dem Militär. Wie ein drei Tage währender Traum, aus dem man heiß und benommen erwacht, und wenn man vor den Spiegel tritt, scheint nichts mehr sicher, vielleicht ist man im Schlaf mit jemand anderem vertauscht worden.
    Als er nach der Abiturprüfung die Klasse als Letzter verlassen hatte, war das Schulgebäude schon sauber und leer, gleichsam in Ferienstimmung. Die Lehrer waren bereits auf und davon auf dem Weg zur Kur, ins Erholungsheim oder auf eine Kreuzfahrt, in den Klassen standen die Stühle aufeinander gestapelt bis zum nächsten Schuljahr, das nach den langen, gerade erst beginnenden Sommerferien losgehen würde, die Tafeln leergewischt und noch feucht, die Steinböden gründlich gefegt. In den Laborräumen waren die Reagenzgläser stumm aufgereiht, im Turnsaal entwich den Bällen gemächlich die Luft, still und verwaist lagen die Basketballplätze. Emil warf einen langen Blick zurück auf das Gymnasium, in dem er die letzten vier Jahre verbracht hatte, jeder einzelne Tag war ihm dort zu viel gewesen, und nun erschien es ihm doch wie ein geliebtes, verlassenes, nach Sauberkeit duftendes Heim. Gerade wollte in ihm die Erinnerung an Begebnisse der Schulzeit aufsteigen, als hinter ihm am Haupttor der stellvertretende Direktor schon den Schlüsselbund klirrend gegen das Gitter schlug und ihn rief. Das Tor hielt er einen Spaltbreit offen, gleich würde es zufallen.
    Die Route war vorgegeben. Sie standen auf, schüttelten das Handtuch aus und fuhren zum Friedhof. Lange waren sie nicht mehr dort gewesen. Sie standen am Grab. Der Geruch des Meeres entströmte ihren Kleidern zu den Gräbern hin. Hier ruht. 1937-1976. Wie damals vor mehr als einem Jahrzehnt, als sie, von vielen Menschen umgeben, an eben diesem Ort gestanden hatten. Von einem nahen Grab ertönte das Totengebet. Emil lauschte, flüsterte dann mit geschlossenen Augen: Amen. Joel goss reichlich Wasser über den Grabstein und säuberte ihn mit dem Autowischer.
    Plötzlich hielten sie einen frischen Blumenstrauß in der Hand. Emil trat an den Wasserhahn, und Wasser ergoss sich in einen Ölkanister, der sich an dem metallenen Henkel schwer halten ließ. In das Rauschen des Wassers hinein flüsterte Joel: Ich habe das Kind gerettet, Lea. Obgleich nicht er es war, der es gerettet hatte.
    Emil ließ seinen Blick zu den Reihen der Soldatengräber jenseits des Gehweges schweifen. Plötzlich schnürte sich seine Kehle zu, und seine Augen füllten sich mit dicken Tränen. Denn er wusste, dass er eigentlich dort hingehört hätte. Dass es an ihm gewesen wäre. Dass er sicher getötet worden wäre. Mit unumstößlicher Gewissheit wusste er, dass ihn die Armee dazu bestimmt hatte, ein Gefallener zu sein. Um es zu lösen. Wäre er weiter in der Armee geblieben, wäre auch er hier geendet. Vielleicht schon morgen. Sehr bald jedenfalls. Und Joel wäre dann von einem Grab zum anderen gegangen und hätte einen Strauß zwischen beiden aufgeteilt.
    Sicher wäre ich dort umgekommen, sagte Emil zu ihm und hob den Kanister etwas an.
    Stimmt, entgegnete Joel.
    Joel stützte den Kanister an der Unterseite ab. Sie kippten ihn gemeinsam über die gesprungene Marmorvase. Und über die Buchstaben.
    Ich habe geträumt, dass du in einem Tank verbrennst, waren die Worte, die sich der Vater auf den Lippen verbiss. Der Kanister war nun völlig leer.
    Sie setzten sich neben dem Grab auf den Boden. Hatten das große Bedürfnis, ausgiebig zu weinen. Joel streckte den rechten Arm aus und legte die Hand auf Emils rasierten Kopf.
    Unter ihren Füßen, tief, doch nicht allzu tief unter ihnen, lagen die Gebeine von Lea Sissu im vermodernden weißen Leichentuch. Etwas tiefer lagerten das Grundwasser und das geschmolzene Gestein,

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