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Emilia Galotti

Emilia Galotti

Titel: Emilia Galotti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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nur vor Gerichte stellen, diesen Ton! - Doch, weh mir! Ich verges-85
    se darüber meine Tochter. - Wo ist sie? - Wie?
    auch tot? - Was konnte meine Tochter dafür, daß Appiani dein Feind war?
    MARINELLI. Ich verzeihe der bangen Mutter. -
    Kommen Sie, gnädige Frau - Ihre Tochter ist hier; in einem von den nächsten Zimmern: und hat sich hoffentlich von ihrem Schrecken schon völlig erholt. Mit der zärtlichsten Sorgfalt ist der Prinz selbst um sie beschäftiget -
    CLAUDIA. Wer? - Wer selbst?
    MARINELLI. Der Prinz.
    CLAUDIA. Der Prinz? - Sagen Sie wirklich, der Prinz? - Unser Prinz?
    MARINELLI. Welcher sonst?
    CLAUDIA. Nun dann! - Ich unglückselige Mutter! -Und ihr Vater! ihr Vater! - Er wird den Tag ihrer Geburt verfluchen. Er wird mich verfluchen.
    MARINELLI.Um des Himmels willen, gnädige Frau! Was fällt Ihnen nun ein?
    CLAUDIA. Es ist klar! - Ist es nicht? - Heute im Tempel! vor den Augen der Allerreinesten! in der nähern Gegenwart des Ewigen! - begann das Bubenstück; da brach es aus! (Gegen den Mari-86
    nelli) Ha, Mörder! feiger, elender Mörder! Nicht tapfer genug, mit eigner Hand zu morden; aber nichtswürdig genug, zu Befriedigung eines frem-den Kitzels zu morden! - morden zu lassen! - Ab-schaum aller Mörder! - Was ehrliche Mörder sind, werden dich unter sich nicht dulden! Dich!
    Dich! - Denn warum soll ich dir nicht alle meine Galle, allen meinen Geifer mit einem einzigen Worte ins Gesicht speien? - Dich! Dich Kuppler!
    MARINELLI. Sie schwärmen, gute Frau. - Aber mäßigen Sie wenigstens Ihr wildes Geschrei, und bedenken Sie, wo Sie sind.
    CLAUDIA. Wo ich bin? Bedenken, wo ich bin?
    -Was kümmertes die Löwin, der man die Jungen geraubet, in wessen Walde sie brüllet?
    EMILIA (innerhalb). Ha, meine Mutter! Ich hö-
    re meine Mutter!
    CLAUDIA. Ihre Stimme? Das ist sie! Sie hat mich gehört; sie hat mich gehört. Und ich sollte nicht schreien? - Wo bist du, mein Kind? Ich komme, ich komme! (Sie stürzt in das Zimmer, und Marinelli ihr nach)

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Vierter Aufzug
    (Die Szene bleibt)

Erster Auftritt
    (Der Prinz. Marinelli)

    DER PRINZ (als aus dem Zimmer von Emilien kommend). Kommen Sie, Marinelli! Ich muß mich erholen - und muß Licht von Ihnen haben.
    MARINELLI.O der mütterlichen Wut! Ha! ha!
    ha!
    DER PRINZ. Sie lachen?
    MARINELLI. Wenn Sie gesehen hätten, Prinz, wie toll sich hier, hier im Saale, die Mutter ge-bärdete -Sie hörten sie ja wohl schreien! - und wie zahm sie auf einmal ward, bei dem ersten Anblicke von Ihnen -- Ha! ha! - Das weiß ich ja wohl, daß keine Mutter einem Prinzen die Augen auskratzt, weil er ihre Tochter schön findet!
    DER PRINZ. Sie sind ein schlechter Beobachter!
    -Die Tochter stürzte der Mutter ohnmächtig in die Arme. Darüber vergaß die Mutter ihre Wut: nicht über mir. Ihre Tochter schonte sie, nicht mich; wenn sie es nicht lauter, nicht deutlicher 88
    sagte, - was ich lieber selbst nicht gehört, nicht verstanden haben will.
    MARINELLI. Was, gnädiger Herr?
    DER PRINZ. Wozu die Verstellung? - Heraus damit. Ist es wahr? oder ist es nicht wahr?
    MARINELLI.Und wenn es denn wäre!
    DER PRINZ. Wenn es denn wäre? - Also ist es? -
    Er ist tot? tot? - (Drohend) Marinelli! Marinelli!
    MARINELLI.Nun?
    DER PRINZ. Bei Gott! bei dem allgerechten Gott! ich bin unschuldig an diesem Blute. -
    Wenn Sie mir vorher gesagt hätten, daß es dem Grafen das Leben kosten werde - Nein, nein!
    und wenn es mir selbst das Leben gekostet hät-te!-
    MARINELLI. Wenn ich Ihnen vorher gesagt
    hätte? -Als ob sein Tod in meinem Plane gewesen wäre! Ich hatte es dem Angelo auf die Seele gebunden, zu verhüten, daß niemanden Leides geschähe. Es würde auch ohne die geringste Ge-walttätigkeit abgelaufen sein, wenn sich der Graf nicht die erste erlaubt hätte. Er schoß Knall und Fall den einen nieder.

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    DER PRINZ. Wahrlich; er hätte sollen Spaß verstehen!
    MARINELLI. Daß Angelo sodann in Wut kam, und den Tod seines Gefährten rächte -
    DER PRINZ. Freilich, das ist sehr natürlich!
    MARINELLI. Ich hab' es ihm genug verwiesen.
    DER PRINZ. Verwiesen? Wie freundschaftlich! -
    Warnen Sie ihn, daß er sich in meinem Gebiete nicht betreten läßt. Mein Verweis möchte so freundschaftlich nicht sein.
    MARINELLI. Recht wohl! - Ich und Angelo; Vorsatz und Zufall: alles ist eins. - Zwar ward es voraus bedungen, zwar ward es voraus verspro-chen, daß keiner der Unglücksfälle, die sich dabei eräug-nen könnten, mir zu Schulden kommen solle -
    DER PRINZ. Die sich dabei eräugnen - könnten, sagen

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