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Emilia Galotti

Emilia Galotti

Titel: Emilia Galotti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Von dem Grafen zwar, hoffe ich nun wohl nicht. Aber von der Mutter; von der Mutter! Es sollte mich sehr wundern, wenn die so ruhig abgezogen wäre, und ihre Tochter im Sti-che gelassen hätte. -Nun, Battista? was gibts?

Sechster Auftritt
    (Battista. Marinelli)

    BATTISTA (eiligst). Die Mutter, Herr Kammerherr -
    MARINELLI. Dacht' ichs doch! - Wo ist sie?
    BATTISTA. Wann Sie ihr nicht zuvorkom-
    men,so wird sie den Augenblick hier sein. - Ich war gar nicht Willens, wie Sie mir zum Schein geboten, mich nach ihr umzusehen: als ich ihr Geschrei von weitem hörte. Sie ist der Tochter auf der Spur, und wo nur nicht - unserm ganzen Anschlage! Alles, was in dieser einsamen Gegend von Menschen ist, hat sich um sie versammelt; und jeder will der sein, der ihr den Weg weiset.
    Ob man ihr schon gesagt, daß der Prinz hier ist, 81
    daß Sie hier sind, weiß ich nicht. - Was wollen Sie tun?
    MARINELLI. Laß sehen! - (Er überlegt) Sie nicht einlassen, wenn sie weiß, daß die Tochter hier ist?
    - Das geht nicht. - Freilich, sie wird Augen machen, wenn sie den Wolf bei dem Schäfchen sieht.
    - Augen? Das möchte noch sein. Aber der Himmel sei unsern Ohren gnädig! - Nun was? die beste Lunge erschöpft sich; auch so gar eine weibliche. Sie hören alle auf zu schreien, wenn sie nicht mehr können. - Dazu, es ist doch einmal die Mutter, die wir auf unserer Seite haben müssen. - Wenn ich die Mütter recht kenne; - so etwas von einer Schwiegermutter eines Prinzen zu sein, schmeichelt die meisten. - Laß sie kommen, Battista, laß sie kommen!
    BATTISTA. Hören Sie! hören Sie!
    CLAUDIA GALOTTI(innerhalb). Emilia! Emi-
    lia! Mein Kind, wo bist du?
    MARINELLI. Geh, Battista, und suche nur ihre neugierigen Begleiter zu entfernen.

    82
    Siebenter Auftritt (Claudia Galotti. Battista. Marinelli)
    CLAUDIA (die in die Türe tritt, indem Battista heraus gehen will). Ha! der hob sie aus dem Wagen! Der führte sie fort! Ich erkenne dich. Wo ist sie? Sprich, Unglücklicher!
    BATTISTA. Das ist mein Dank?
    CLAUDIA. O, wenn du Dank verdienest: (in einem gelinden Tone) - so verzeihe mir, ehrlicher Mann! - Wo ist sie? - Laßt mich sie nicht länger entbehren. Wo ist sie?
    BATTISTA. O, Ihre Gnaden, sie könnte in dem Scho-ße der Seligkeit nicht aufgehobner sein. -
    Hier mein Herr wird Ihre Gnaden zu ihr führen.
    (Gegen einige Leute, welche nachdringen wollen) Zurück da! ihr!

Achter Auftritt
    (Claudia Galotti. Marinelli)

    CLAUDIA. Dein Herr? - (Erblickt den Marinelli und fährt zurück) Ha! - Das dein Herr? - Sie hier, mein Herr? Und hier meine Tochter? Und Sie, Sie sollen mich zu ihr führen?

    83
    MARINELLI. Mit vielem Vergnügen, gnädige Frau.
    CLAUDIA. Halten Sie! - Eben fällt mir es bei -
    Sie waren es ja - nicht? - Der den Grafen diesen Morgen in meinem Hause aufsuchte? mit dem ich ihn allein ließ? mit dem er Streit bekam?
    MARINELLI. Streit? - Was ich nicht wüßte: ein unbedeutender Wortwechsel in herrschaftlichen Angelegenheiten -
    CLAUDIA. Und Marinelli heißen Sie?
    MARINELLI. Marchese Marinelli.
    CLAUDIA. So ist es richtig. - Hören Sie doch, Herr Marchese. - Marinelli war - der Name Marinelli war - begleitet mit einer Verwünschung -
    Nein, daß ich den edeln Mann nicht verleumde!
    - begleitet mit keiner Verwünschung - Die Verwünschung denk' ich hinzu - Der Name Marinelli war das letzte Wort des sterbenden Grafen.
    MARINELLI. Des sterbenden Grafen? Grafen Ap-piani? - Sie hören, gnädige Frau, was mir in Ihrer seltsamen Rede am meisten auffällt. - Des sterbenden Grafen? - Was Sie sonst sagen wollen, versteh' ich nicht.

    84
    CLAUDIA (bitter und langsam). Der Name Ma-ri-nelli war das letzte Wort des sterbenden Grafen! -Verstehen Sie nun? - Ich verstand es erst auch nicht: obschon mit einem Tone gesprochen - mit einem Tone! - Ich höre ihn noch! Wo waren meine Sinne, daß sie diesen Ton nicht sogleich verstanden?
    MARINELLI. Nun, gnädige Frau? - Ich war von je her des Grafen Freund; sein vertrautester Freund. Also, wenn er mich noch im Sterben nannte -
    CLAUDIA. Mit dem Tone? - Ich kann ihn nicht nachmachen; ich kann ihn nicht beschreiben; aber er enthielt alles! alles! - Was? Räuber wären es gewesen, die uns anfielen? - Mörder waren es; erkaufte Mörder! - Und Marinelli, Marinelli war das letzte Wort des sterbenden Grafen! Mit einem Tone!
    MARINELLI. Mit einem Tone? - Ist es erhört, auf einen Ton, in einem Augenblicke des Schreckens vernommen, die Anklage eines recht-schaffnen Mannes zu gründen?
    CLAUDIA. Ha, könnt' ich ihn

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