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Emilia Galotti

Emilia Galotti

Titel: Emilia Galotti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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anders. Das ist natürlich. Aber wa-99
    rum denn eben Verachtung? Es braucht ja nur Gleichgültigkeit zu sein. Nicht wahr, Marinelli?
    MARINELLI. Allerdings, allerdings.
    ORSINA (höhnisch). Allerdings? - O des weisen Mannes, den man sagen lassen kann, was man will! - Gleichgültigkeit! Gleichgültigkeit an die Stelle der Liebe? - Das heißt, Nichts an die Stelle von Etwas. Denn lernen Sie, nachplauderndes Hofmännchen, lernen Sie von einem Weibe, dass Gleichgültigkeit ein leeres Wort, ein bloßer Schall ist, dem nichts, gar nichts entspricht.
    Gleichgültig ist die Seele nur gegen das, woran sie nicht denkt; nur gegen ein Ding, das für sie kein Ding ist. Und nur gleichgültig für ein Ding, das kein Ding ist, -das ist so viel, als gar nicht gleichgültig. - Ist dir das zu hoch, Mensch?
    MARINELLI(vor sich). O weh! wie wahr ist es, was ich fürchte!
    ORSINA. Was murmelnSie da?
    MARINELLI. Lauter Bewunderung! - Und wem ist es nicht bekannt, gnädige Gräfin, daß Sie ei-ne Philosephin sind?
    ORSINA. Nicht wahr? - Ja, ja; ich bin eine. - Aber habe ich mir es itzt merken lassen, daß ich 100
    eine bin? - O pfui, wenn ich mir es habe merken lassen; und wenn ich mir es öftrer habe merken lassen! Ist es wohl noch Wunder, daß mich der Prinz verachtet? Wie kann ein Mann ein Ding lieben, das, ihm zum Trotze, auch denken will?
    Ein Frauenzimmer, das denket, ist eben so ekel als ein Mann, der sich schminket. Lachen soll es, nichts als lachen, um immerdar den gestrengen Herrn der Schöpfung bei guter Laune zu erhalten. - Nun, worüber lach' ich denn gleich, Marinelli? - Ach, ja wohl! Über den Zufall! daß ich dem Prinzen schreibe, er soll nach Dosalo kommen; daß der Prinz meinen Brief nicht lieset, und daß er doch nach Dosalo kömmt. Ha!
    ha! ha! Wahrlich ein sonderbarer Zufall! Sehr lustig, sehr närrisch! - Und Sie lachen nicht mit, Marinelli? - Mitlachen kann ja wohl der gestrenge Herr der Schöpfung, ob wir arme Geschöpfe gleich nicht mitdenken dürfen. - (Ernsthaft und befehlend) So lachen Sie doch!
    MARINELLI Gleich, gnädige Gräfin, gleich!
    ORSINA. Stock! Und darüber geht der Augenblick vorbei. Nein, nein, lachen Sie nur nicht. -
    Denn sehen Sie, Marinelli, (nachdenkend bis 101
    zur Rührung) was mich so herzlich zu lachen macht, das hat auch seine ernsthafte - sehr ernsthafte Seite. Wie alles in der Welt! - Zufall?
    Ein Zufall wär' es, daß der Prinz nicht daran gedacht, mich hier zu sprechen, und mich doch hier sprechen muß? Ein Zufall? - Glauben Sie mir, Marinelli: das Wort Zufall ist Gottesläste-rung. Nichts unter der Sonne ist Zufall; - am wenigsten das, wovon die Absicht so klar in die Augen leuchtet. - Allmächtige, allgütige Vorsicht, vergib mir, daß ich mit diesem albernen Sünder einen Zufall genennet habe, was so of-fenbar dein Werk, wohl gar dein unmittelbares Werk ist! - (Hastig gegen Marinelli) Kommen Sie mir, und verleiten Sie mich noch einmal zu so einem Frevel!
    MARINELLI(vor sich). Das geht weit! - Aber gnädige Gräfin –
    ORSINA. Still mit dem Aber! Die Aber kosten Überlegung; - und mein Kopf! mein Kopf! (sich mit der Hand die Stirne haltend) - Machen Sie, Marinelli, machen Sie, daß ich ihn bald spreche, den Prinzen; sonst bin ich es wohl gar nicht im 102
    Stande. - Sie sehen, wir sollen uns sprechen; wir müssen uns sprechen -

Vierter Auftritt
    (Der Prinz. Orsina. Marinelli)

    DER PRINZ (indem er aus dem Kabinette tritt, vor sich). Ich muß ihm zu Hülfe kommen -
    ORSINA (die ihn erblickt, aber unentschlüssig bleibt, ob sie auf ihn zugehen soll). Ha! da ist er.
    DER PRINZ (geht quer über den Saal, bei ihr vorbei, nach den andern Zimmern, ohne sich im Reden aufzuhalten). Sieh da! unsere schöne Grä-
    fin. - Wie sehr betaure ich, Madame, daß ich mir die Ehre Ihres Besuchs für heute so wenig zu Nutze machen kann! Ich bin beschäftiget. Ich bin nicht allein. - Ein andermal, meine liebe Gräfin! Ein andermal. - Itzt halten Sie länger sich nicht auf. Ja nicht länger! - Und Sie, Marinelli, ich erwarte Sie. -

    103
    Fünfter Auftritt
    (Orsina. Marinelli)
    MARINELLI. Haben Sie es, gnädige Gräfin, nun von ihm selbst gehört, was Sie mir nicht glauben wollen?
    ORSINA (wie betäubt). Hab' ich? hab' ich wirklich?
    MARINELLI. Wirklich.
    ORSINA (mit Rührung). »Ich bin beschäftiget.
    Ich bin nicht allein.« Ist das die Entschuldigung ganz, die ich wert bin? Wen weiset man damit nicht ab? Jeden Überlästigen, jeden Bettler. Für mich keine einzige Lüge mehr? Keine einzige kleine Lüge

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